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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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blickt auf Großbritannien als demokratisches Vorbild für das Panama des 21. Jahrhunderts. Es soll dramatisch klingen. In den Straßen von Panama herrscht der Terror und so weiter. Sonntags in der Morgenausgabe. Rufen Sie Luxmore an. Sagen Sie ihm, er soll seine Scheißstudenten aus den Betten jagen.«
     
    Einen so gefährlichen Auftrag hatte Luxmore noch nie gehabt. Er war begeistert, er hatte Angst. Freilich hatte er im Ausland immer Angst. Er war ein furchtbar einsamer Held. Ein imposanter Ausweis in seinem Jackett, das er auf keinen Fall ausziehen durfte, verpflichtete sämtliche Ausländer, dem hochgeschätzten Kurier der Königin – Mellors mit Namen – freies Geleit über ihre Grenzen zu gewähren. Auf dem Erster-Klasse-Sitz neben ihm standen zwei unförmige, mit breiten Schultergurten versehene schwarze Aktenkoffer; sie waren mit Wachs versiegelt und trugen das königliche Wappen. Die Vorschriften seines angeblichen Amtes erlaubten ihm weder zu schlafen noch zu trinken. Die Aktenkoffer mußten jederzeit in Sicht- und Reichweite bleiben. Profanen Händen war es nicht gestattet, die Taschen eines Kuriers der Königin zu entweihen. Er durfte sich niemandem nähern, hatte jedoch aus operativer Notwendigkeit eine matronenhafte Stewardeß von British Airways von diesem Erlaß ausnehmen müssen. Mitten über dem Südatlantik wandelte ihn nämlich ein unvorhergesehenes Bedürfnis an. Zweimal war er schon aufgestanden, um seinen Anspruch anzumelden, aber jedesmal war ihm ein gepäckloser Passagier zuvorgekommen. In höchster Not hatte er schließlich die Stewardeß gebeten, vor einer freigewordenen Toilette für ihn Wache zu halten, während er, dösende Araber anrempelnd und gegen Getränkewagen torkelnd, sich mit den Aktenkoffern durch den Gang zwängte.
    »Sie schleppen wohl große Geheimnisse mit sich rum«, bemerkte die Stewardeß unbekümmert, als sie ihn zu seinem Ziel lotste.
    Luxmore hörte entzückt, daß sie wie er aus Schottland stammte.
    »Wo genau kommen Sie her, meine Liebe?«
    »Aus Aberdeen.«
    »Das ist ja wunderbar! Die silberne Stadt, mein Gott!«
    »Und Sie?«
    Luxmore wollte gerade mit einer ausführlichen Schilderung seiner schottischen Herkunft aufwarten, als ihm einfiel, daß Mellors seinem falschen Paß zufolge in Clapham geboren war. Seine Verlegenheit nahm noch zu, als sie ihm die Tür aufhielt, während er die Taschen herummanövrierte, um sich irgendwie hineinzuschieben. Auf dem Rückweg zu seinem Platz suchte er die Sitzreihen nach potentiellen Flugzeugentführern ab und sah niemanden, dem er vertraut hätte.
    Die Maschine setzte zum Sinkflug an. Mein Gott, stell dir das vor! dachte Luxmore, während Ehrfurcht vor seinem Auftrag und Abscheu vor dem Fliegen sich mit dem Alptraum des Entdecktwerdens abwechselten – das Flugzeug stürzt ins Meer, die Taschen mit ihm. Bergungsboote aus Amerika, Kuba, Rußland und Großbritannien rasen zur Absturzstelle! Wer ist der geheimnisvolle Mellors? Warum sind seine Taschen bis auf den Meeresgrund gesunken? Warum hat man keine Papiere auf dem Wasser schwimmend gefunden? Warum bekennt sich niemand zu ihm? Keine Witwe, kein Kind, keine Verwandtschaft! Die Taschen werden geborgen. Wird die Regierung ihrer Majestät freundlicherweise einer atemlosen Welt erklären, was es mit dem ungewöhnlichen Inhalt auf sich hat?
    »Sie müssen bestimmt weiter nach Miami, stimmt’s?« fragte die Stewardeß, als er die Taschen schulterte und sich zum Aussteigen anschickte. »Ich wette, Sie nehmen erst mal ein schönes heißes Bad, wenn Sie hier raus sind.«
    Luxmore sprach leise, falls zufällig Araber mithörten. Sie war eine brave Schottin und hatte die Wahrheit verdient.
    »Panama«, murmelte er.
    Aber sie war bereits weg. Sie mußte jetzt die Passagiere bitten, die Sitze in aufrechte Position zu bringen und die Sicherheitsgurte anzulegen.

19
    »Die Platzgebühr wird nach dem Dienstgrad berechnet«, erklärte Maltby und wählte für den Annäherungsschlag ein mittleres Eisen. Die Fahne war noch achtzig Meter entfernt, für Maltby eine Tagesreise. »Gemeine Soldaten zahlen praktisch gar nichts. Je höher es dann die Leiter raufgeht, desto mehr muß gezahlt werden. Der General kann es sich angeblich nicht mehr leisten, hier zu spielen.« Er grinste schief. »Ich hab’ was für mich ausgehandelt«, gestand er stolz. »Ich bin Sergeant.«
    Er schlug den Ball. Der sauste erschreckt sechzig Meter weit durch triefnasses Gras in Sicherheit und versteckte sich. Maltby

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