Der Schneider
sprang hinterher. Stormont folgte ihm. Ein alter Indio-Caddie mit Strohhut trug ihnen ein Sammelsurium uralter Schläger in einer verschimmelten Tasche nach.
Der gepflegte Platz von Amador ist der Traum jedes schlechten Golfers, und Maltby war ein schlechter Golfer. Die Bahnen liegen zwischen einer ehemaligen Basis der US Army aus den goldenen zwanziger Jahren und dem Uferstreifen des Kanaleingangs. Es gibt ein Wachhäuschen und eine leere, gerade, von einem gelangweilten amerikanischen Soldaten und einem gelangweilten panamaischen Polizisten bewachte Straße. Außer Soldaten und ihren Frauen kommt hier so gut wie niemand her. In einer Richtung sieht man El Chorillo und dahinter die höllischen Hochhäuser von Punta Paitilla, die an diesem Morgen von wehenden Wolkenschichten gemildert werden. Hinten auf dem Meer sieht man die Inseln und den Damm und die obligatorische Schlange bewegungsloser Schiffe, die darauf warten, die Bridge of the Americas passieren zu dürfen.
Aber den schlechten Golfer reizen hier vor allem die schnurgeraden, zehn Meter unter Meereshöhe sich hinziehenden grasbewachsenen Gräben, die, früher einmal Bestandteile der Kanalanlagen, heutzutage schwach geschlagenen Bällen als Führungsrinnen dienen. Gleichgültig, ob der schlechte Golfer einen Hook schlägt oder einen Slice: die Gräben verzeihen ihm alles, solange er sich ihnen nur anvertraut. Hauptsache, er trifft den Ball und schlägt ihn nicht zu hoch.
»Und Paddy geht es gut und so weiter«, meinte Maltby und korrigierte mit der Spitze seines rissigen Golfschuhs unauffällig die Lage des Balls. »Ihr Husten hat sich gebessert?«
»Nicht so richtig«, sagte Stormont.
»Du liebe Zeit. Was sagen die Ärzte dazu?«
»Nicht viel.«
Maltby tat den nächsten Schlag. Der Ball schoß übers Grün hinaus und verschwand aufs neue. Maltby rannte hinterher. Es regnete. Es regnete in Abständen von zehn Minuten, aber Maltby schien das nicht zu merken. Der Ball lag aufsässig mitten auf einer nassen Sandinsel. Der alte Caddie reichte Maltby einen geeigneten Schläger.
»Sie sollten mal irgendwo mit ihr hinfahren«, empfahl er Stormont leichthin. »In die Schweiz, oder was sonst gerade aktuell ist. Panama ist schlecht für die Gesundheit. Hier weiß man nie, woher die Bazillen kommen. Scheiße.«
Sein Ball verzog sich wie ein urzeitliches Insekt in ein Büschel saftig grünen Pampasgrases. Stormont sah durch Regenschleier zu, wie sein Botschafter mit gewaltigen Schwüngen herumhackte, bis der Ball mißmutig aufs Grün kroch. Spannung, als Maltby zu einem langen Putt ansetzte. Triumphgeschrei, als er einlochte. Der spinnt, dachte Stormont. Völlig irre. Höchste Zeit. Ein Wort, Nigel, wenn Sie so freundlich sein wollen, hatte Maltby heute nacht um eins am Telefon gesagt, als Paddy gerade eingeschlafen war. Vielleicht mal an der frischen Luft, Nigel, wenn’s Ihnen recht ist. Wie Sie wünschen, Botschafter.
» Ansonsten ist die Stimmung in der Botschaft zur Zeit ja recht erfreulich «, fuhr Maltby fort, als sie zum nächsten Graben schritten. »Von Paddys Husten und der armen alten Phoebe einmal abgesehen.« Phoebe, seine Frau, war weder sonderlich arm noch sonderlich alt.
Maltby war unrasiert. Ein schäbiger grauer Pullover hing ihm durchnäßt von den Schultern wie ein Kettenhemd, zu dem er die passende Hose verlegt hatte. Warum legt sich der blöde Kerl nicht endlich mal eine Regenjacke zu? fragte sich Stormont, dem selbst der Regen in den Kragen lief.
»Phoebe ist nie zufrieden«, sagte Maltby. »Verstehe wirklich nicht, warum sie zurückgekommen ist. Ich hasse sie. Sie haßt mich. Die Kinder hassen uns beide. Das Ganze hat doch überhaupt keinen Sinn. Geschlafen haben wir seit Jahren nicht mehr miteinander, Gott sei Dank.«
Stormont verharrte in entsetztem Schweigen. Kein einziges Mal in den achtzehn Monaten ihrer Bekanntschaft hatte Maltby so vertraulich mit ihm gesprochen. Und jetzt kannte ihre furchtbare Vertrautheit aus unerfindlichen Gründen plötzlich keine Grenzen mehr.
» Sie sind geschieden«, klagte Maltby. »Bei Ihnen hat man auch ziemlich herumgetratscht, wenn ich mich recht erinnere. Aber Sie haben’s überstanden. Ihre Kinder reden mit Ihnen. Das Ministerium hat Sie nicht auf die Straße gesetzt.«
»Nicht direkt.«
»Es wäre mir lieb, wenn Sie mal mit Phoebe darüber reden würden. Das täte ihr bestimmt sehr gut. Erzählen Sie ihr, daß Sie das auch durchgemacht haben und daß es nicht so schlimm ist, wie immer
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