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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Ministerium hat mir vorgeworfen, ich hätte das neue Material ruhig mit etwas mehr Anerkennung zur Kenntnis nehmen können. Auch Ihnen hat man implizit den gleichen Vorwurf gemacht. › Anerkennung?‹ habe ich gesagt. ›Und ob ich das anerkenne. Andrew Osnard ist ein charmanter Bursche und äußerst gewissenhaft, die Operation BUCHAN hat uns ein Licht aufgesteckt und mit Stoff zum Nachdenken versorgt. Wir sind hingerissen. Wir machen mit. Das hat unsere kleine Gemeinschaft sehr belebt. Aber wir erdreisten uns nicht, dieser Sache einen Platz im großen Ganzen zuzuweisen. Das ist Aufgabe Ihrer Analytiker und unserer Vorgesetzten.‹«
    »Und damit war man zufrieden?«
    »Man hat es verschlungen. Andy ist wirklich ein sehr netter Kerl, wie ich ihnen gesagt habe. Kommt fantastisch bei den Frauen an. Eine Zierde unserer Botschaft.« Er brach ab, ließ ein Fragezeichen zwischen ihnen, und setzte etwas gedämpfter noch einmal an. »Na schön, vielleicht hat er nicht wirklich Handicap Acht. Vielleicht mogelt er ab und zu. Wer tut das nicht? Ich finde nur, es hat doch absolut nichts mit Ihnen oder mir oder sonstwem in der Botschaft zu tun – den jungen Andy möglicherweise ausgenommen –, daß das BUCHAN-Material schlichtweg hanebüchener Unsinn ist.«
     
    Stormont hatte seinen Ruf als Fels in der Brandung zu Recht. Eine Zeitlang, quälend lange, saß er unbewegt da – die Bank war aus Teak, und er hatte es am Rücken, besonders bei feuchter Witterung. Er betrachtete die Reihe wartender Schiffe, die Bridge of the Americas, die Altstadt und ihre häßliche moderne Schwester jenseits der Bucht. Er verlagerte umständlich die Beine. Und er fragte sich, ob er gerade aus noch nicht offenbarten Gründen das Ende seiner Karriere erlebte oder aber eine neue anfing, deren Konturen er noch nicht erkennen konnte.
    Maltby hingegen erging sich in rückhaltloser Aufrichtigkeit. Er saß, den länglichen Ziegenkopf an einen Eisenträger des Pavillons gelegt, behaglich zurückgelehnt und sprach im Tonfall schierer Großmütigkeit.
    »Also, ich weiß es nicht«, sagte er, »und Sie wissen es auch nicht, wer von denen sich das ausdenkt. Ist es BUCHAN? Oder Mrs. BUCHAN? Oder die Quellen, wer auch immer das sein mag – Abraxas, Domingo, Sabina oder dieser widerliche Journalist, dieser Teddy Soundso, den man überall sieht? Oder ist es Andrew selbst, der gute Mann, und alles andere ist null und nichtig? Er ist jung. Man könnte ihn zum Narren halten. Andererseits ist er ziemlich pfiffig und ein Gauner obendrein. Nein, stimmt nicht. Er ist durch und durch verdorben. Er ist ein mieses Schwein.«
    »Ich dachte, Sie mögen ihn.«
    »Aber ja doch, ich mag ihn sehr. Ich nehme ihm seine Mogeleien kein bißchen übel. Viele Leute mogeln, aber meist sind das schlechte Spieler wie ich. Manche entschuldigen sich dafür. Ich selbst habe mich schon ein paarmal entschuldigt.« Er sah mit schiefem Grinsen zwei großen gelben Schmetterlingen zu, die beschlossen hatten, an dem Gespräch teilzunehmen. »Aber Andy ist ein Siegertyp. Und Siegertypen, die mogeln, sind Schweine. Wie kommt er mit Paddy aus?«
    »Paddy betet ihn an.«
    »Du liebe Zeit, doch hoffentlich nicht allzu sehr? Mit Fran treibt er’s ja leider schon lange.«
    »Unsinn«, widersprach Stormont heftig. »Die beiden reden ja kaum miteinander.«
    »Weil sie’s heimlich treiben. Schon seit Monaten. Hat ihr offenbar völlig den Kopf verdreht.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Mein lieber Mann, ich verschlinge diese Frau mit den Augen, das muß Ihnen aufgefallen sein. Ich beobachte jeden ihrer Schritte. Ich bin ihr gefolgt. Ich glaube nicht, daß sie das gemerkt hat. Aber das hoffen wir Spanner natürlich immer. Sie ist aus ihrer Wohnung zu Osnard gegangen. Und nicht mehr rausgekommen. Am nächsten Morgen um sieben Uhr habe ich ein dringendes Telegramm vorgetäuscht und bei ihr in der Wohnung angerufen. Niemand hat abgenommen. Noch eindeutiger geht’s ja wohl nicht.«
    »Und Sie haben Osnard nichts davon gesagt?«
    »Wozu denn? Fran ist ein Engel, er ist ein Schwein, ich bin ein Lustmolch. Was könnte dabei schon rauskommen?«
    Der Pavillon krachte und klapperte unter dem nächsten Wolkenbruch, und sie mußten ein paar Minuten auf die Sonne warten.
    »Also, was unternehmen Sie?« sagte Stormont schroff, alle Fragen abwehrend, die er sich selbst nicht stellen wollte.
    » Unternehmen , Nigel?« Das war nun wieder Maltby, wie Stormont ihn kannte: trocken, pedantisch, distanziert. »Wogegen

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