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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Versicherung ist in Ordnung.‹ Darauf raten sie mir, ich soll keine Fragen stellen, sie hätten eine Akte über mich, und ich solle mir ja nicht einbilden, nur weil ich einmal geschlagen worden sei, sei ich jetzt immun.« Sie rieb ihren Kopf an seinem. »Dabei hatte ich gar keine Fragen gestellt. Dann behaupteten sie, sie würden in die Akte eintragen, daß ich Bilder von Castro und Che Guevara im Schlafzimmer hängen habe. Und daß ich mich wieder mit extremistischen Studenten herumtreiben würde. Das stimmt nicht, habe ich gesagt, und das ist nicht mal gelogen. Dann haben sie dich als Spion bezeichnet. Und Mickie auch. Seine Trinkerei sei bloß ein Trick, seine Spionagetätigkeit zu verschleiern. Die sind verrückt.«
    Sie war fertig, aber Pendel brauchte Zeit, das zu verarbeiten, und so verging eine Weile, ehe er sich auf sie wälzte und mit beiden Händen ihre Wange an die seine drückte und ihre Gesichter zu einem einzigen Gesicht machte.
    »Haben sie gesagt, was für eine Art Spion?«
    »Was gibt es denn noch für Arten?«
    »Echte, zum Beispiel.«
    Das Telefon klingelte.
     
    Es klingelte über ihnen, was Telefone in Pendels Leben gewöhnlich nicht taten, und zwar auf einem Apparat, den er immer für ein Haustelefon gehalten hatte, bis er sich daran erinnerte, daß das Telefon geradezu der Lebensinhalt seiner Kunafrauen war, daß sie mit ihm lachten, mit ihm weinten und ihm andächtig lauschten, wenn sie ihren Männern, Liebhabern, Vätern, Häuptlingen, Kindern, Anführern und sonstigen unzähligen Verwandten mit unlösbaren Problemen ihre ganze Aufmerksamkeit schenkten. Und nachdem das Telefon eine Zeitlang geklingelt hatte – nach dem willkürlichen Maßsystem seiner Existenz eine Ewigkeit lang, für den Rest der Welt hingegen genau viermal –, bemerkte Pendel, daß Marta nicht mehr in seinen Armen lag, sondern aufgestanden war und sich bereits die Bluse zuknöpfte, um den Anruf in geziemender Aufmachung entgegenzunehmen. Und daß sie, wie immer, wenn ein Anruf ungelegen kam, von ihm wissen wollte, ob er da sei oder nicht. Aber nun wurde er eigensinnig und stand ebenfalls auf, mit dem Ergebnis, daß sie einander wieder so nahe waren wie zuvor, als sie auf dem Boden gelegen hatten.
    » Ich bin da , du nicht «, flüsterte er ihr eindringlich ins Ohr.
    Kein Trick, keine Heuchelei: nur der Beschützer in ihm sprach diese Worte. Vorsichtshalber postierte er sich zwischen Marta und dem Telefon, und im rötlichen Licht des Fensters über ihm – ein paar Sterne hatten es geschafft, durch den Dunstschleier zu schimmern – betrachtete er den immerzu weiterläutenden Apparat, als versuchte er, dessen Zweck zu ergründen. Denken Sie als erstes immer an das Schlimmste, hatte Osnard ihm bei den Einsatzbesprechungen eingeschärft. Er hielt sich daran, und das Schlimmste schien ihm Osnard selbst zu sein, also dachte er an ihn. Dann dachte er an den Bären. Dann dachte er an die Polizei. Und schließlich dachte er, da er schon die ganze Zeit an sie gedacht hatte, an Louisa.
    Aber Louisa war nichts Schlimmes. Sie war ein Opfer, das er vor langer Zeit in Zusammenarbeit mit ihrer Mutter und ihrem Vater und Braithwaite und Onkel Benny und den barmherzigen Schwestern und all den anderen, aus denen er selbst sich zusammensetzte, erschaffen hatte. Sie stellte keine Bedrohung dar, erinnerte ihn allenfalls an das grundsätzlich Falsche ihrer Beziehung, wie trotz der Sorgfalt, die er auf die Planung verwendet hatte, alles schiefgelaufen war – eben das war ja sein Fehler gewesen: Man sollte Beziehungen nicht planen , aber wenn man das nicht macht, was macht man dann?
    Als es dann nicht mehr viel zu denken gab, griff Pendel endlich nach dem Hörer und hob ihn im selben Augenblick ans Ohr, als Marta seine andere Hand an ihre Lippen führte, um zärtlich und beruhigend an seinen Knöcheln zu knabbern. Und irgendwie rüttelte diese Geste ihn wach, denn nun, mit dem Hörer am Ohr, machte er sich nicht klein, sondern stand plötzlich kerzengerade und meldete sich tapfer, um nicht zu sagen aufgeräumt, in deutlichem Spanisch, womit er zeigen wollte, daß er noch lange nicht geschlagen war, daß er sich keineswegs den Umständen zu unterwerfen gedachte.
    »Pendel & Braithwaite! Guten Abend, womit können wir dienen?«
    Aber falls er mit seiner Munterkeit unbewußt darauf abzielte, dem Angriff die Spitze zu nehmen, scheiterte der Versuch kläglich, denn die Schießerei hatte bereits angefangen. Die ersten Salven schlugen schon bei ihm

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