Der Schneider
ein, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte: eine Folge einzelner, sich langsam steigernder Explosionen, durchsetzt vom Rattern der Maschinenpistolen, dem Krachen der Granaten und dem kurzen triumphierenden Jaulen der Querschläger. Ein paar Sekunden lang glaubte Pendel, es gebe eine neue Invasion; nur daß er sich diesmal bereit erklärt habe, bei Marta in El Chorillo zu bleiben, und sie ihm deshalb jetzt die Hand küßte. Und wie vorauszusehen, versank der Geschützlärm allmählich im Wimmern der Opfer, es hallte wie aus irgendeinem behelfsmäßigen Schutzraum, anklagend und protestierend, fluchend und fordernd, erstickt vor Wut und Entsetzen, um Schadenersatz und Gottes Gnade flehend, bis nach und nach all diese Stimmen zu einer einzigen wurden, und die gehörte Ana, der chiquilla von Mickie Abraxas, Martas Kindheitsfreundin, der einzigen Frau in Panama, die es noch mit Mickie aufnahm, die ihn noch saubermachte, wenn er mal wieder zu viel getrunken und sich besudelt hatte, und die sich sein endloses Gefasel noch anhören konnte.
Und sobald Pendel die Stimme Anas erkannte, wußte er genau, was sie ihm zu erzählen hatte, auch wenn sie, wie alle guten Geschichtenerzähler, das Beste bis zum Schluß aufsparte. Und deshalb gab er Marta den Hörer nicht, sondern ließ die Schläge auf den eigenen Körper niedergehen, nicht auf ihren, wie er es hatte geschehen lassen müssen, als die Elitesoldaten nicht zuließen, daß er sie daran hinderte, Marta halb tot zu prügeln.
Gleichwohl ging Anas Monolog so verschlungene Pfade, daß Pendel, um sich da hindurchzufinden, praktisch eine Landkarte gebraucht hätte.
»Es ist nicht einmal das Haus meines Vaters, mein Vater hat es mir nur widerwillig überlassen, weil ich ihn angelogen habe, weil ich ihm erzählt habe, ich würde hier mit meiner Freundin Estella sein und mit sonst niemand, Estella, mit der ich und Marta zur Klosterschule gegangen sind, aber das war gelogen, jedenfalls nicht Mickie, es gehört einem Vorarbeiter von der Feuerwerkfabrik La Negra Vieja in Guararé, wo das ganze Feuerwerk für alle Feste in Panama hergestellt wird, aber das hier ist jetzt Guararés eigenes Festival, und mein Vater ist mit dem Vorarbeiter befreundet und war Trauzeuge bei seiner Hochzeit, und der Vorarbeiter hat zu ihm gesagt, du kannst mein Haus für das Fest haben, solange ich in Aruba Flitterwochen mache, aber mein Vater findet Feuerwerk nicht gut und hat gesagt, er verzichtet drauf, aber ich kann es haben, nur diesen blöden Mickie, den durfte ich nicht einladen, also habe ich gelogen und gesagt, nein, den lade ich nicht ein, nur meine Freundin Estella, die ich von der Klosterschule kenne und die zur Zeit die chiquilla von einem Holzhändler in David ist, weil es nämlich in Guararé fünf Tage lang Stierkämpfe und Tanzgruppen und Feuerwerk gibt, das gibt es sonst nirgendwo in Panama oder sonstwo auf der ganzen Welt. Aber ich habe nicht Estella eingeladen, sondern Mickie, und Mickie hat mich wirklich gebraucht, er hatte solche Angst und war so deprimiert und ausgelassen, alles auf einmal, er hat gesagt, die Polizei, das sind alles Idioten, die würden ihm drohen und ihn einen britischen Spion nennen, genau wie zu Noriegas Zeiten, bloß weil er sich ein paar Semester lang in Oxford betrunken hat und sich hat überreden lassen, in Panama einen britischen Club aufzumachen.«
Hier begann Ana so laut zu lachen, daß Pendel sich die Geschichte nur noch bruchstückweise und mit viel Geduld zusammensetzen konnte, aber der eigentliche Kern war deutlich genug: nämlich daß sie Mickie noch nie so enthusiastisch und niedergeschlagen zugleich erlebt hatte, daß er im einen Augenblick weinte und im nächsten ausgelassen herumalberte, und Gott im Himmel, was brachte ihn dazu? Und noch einmal Gott im Himmel, was sollte sie jetzt ihrem Vater erzählen? Wer sollte die Wände und die Zimmerdecke saubermachen? Gott sei Dank war es Fliesenboden, kein Holzboden, immerhin war er so anständig gewesen, es in der Küche zu machen, tausend Dollar für einen neuen Anstrich waren noch vorsichtig geschätzt, als strenger Katholik hat ihr Vater so seine Ansichten über Selbstmörder und Ketzer, na schön, er hat getrunken, das hätten sie alle, was soll man denn sonst bei so einem Fest machen außer trinken und tanzen und bumsen und sich das Feuerwerk ansehen, und genau letzteres hat sie gerade getan, als sie hinter sich den Knall gehört hat, wo er das Ding her hatte, war ihr ein Rätsel, er trägt
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