Der Schneider
zum Beispiel! Ihr Maltby! – ihr dubioser, komischer, pedantischer, schlauer, verheirateter, unglücklicher Botschafter, der sich überall bedroht fühlt, in Taxis und auf Korridoren, ein Skeptiker wie er im Buche steht, hatte sie immer gedacht, und doch hatte er Gott , was für eine schöne Frau gerufen, als sie in seinen Pool gesprungen war: Und dieser Maltby saß nun wie ein braver Schuljunge zu Mellors’ Rechter, grinste ölig und aufmunternd, streckte ruckartig den langen schiefen Kopf vor und zurück wie einer dieser Kneipenvögel, die Wasser aus schmierigen Plastikbechern trinken, und drängte den schmollenden Nigel Stormont, ihm beizupflichten.
»Dem stimmen Sie doch zu, Nigel?« rief er. »Ja, das tut er. Abgemacht, Mellors.«
Oder: » Wir geben ihnen das Gold, sie kaufen die Waffen über Gully. Viel einfacher, als sie ihnen direkt zu liefern. Und es läßt sich leichter vertuschen – einverstanden, Nigel? – ja, Gully? – abgemacht, Mellors.«
Oder: »Nein nein, Mr. Mellors, vielen Dank, eine weitere Arbeitsgruppe ist absolut überflüssig. So eine kleine Gaunerei schaffen Nigel und ich auch alleine, stimmt’s, Nigel? Und unser Gully ist sowieso Experte. Was sind unter Freunden schon ein paar hundert Tretminen, was, Gully? Hergestellt in Birmingham. Beste Qualität.«
Und Gully bearbeitet blöde grinsend seinen Schnurrbart mit dem Taschentuch und kritzelt gierig Notizen in sein Auftragsbuch, während Mellors ihm etwas, das wie eine Einkaufsliste aussieht, über den Tisch zuschiebt und die Augen verdreht, damit er sich selbst dabei nicht zusehen kann.
»Mit begeisterter Zustimmung des Ministers«, flüstert er. Soll heißen: Ich habe damit nichts zu tun.
»Problematisch ist dabei nur eins , Mellors, wir müssen den Kreis der Eingeweihten so klein wie möglich halten«, bemerkt Maltby scharfsinnig. »Das heißt, wir müssen jeden vergattern, der aus Versehen dahinterkommen könnte, zum Beispiel unseren jungen Simon hier« – hämischer Seitenblick zu Simon Pitt, der wie betäubt neben Gully sitzt –, »und ihnen mit lebenslänglicher Galeerenstrafe drohen, falls sie auch nur ein einziges unbedachtes Wort ausplappern. Verstanden, Simon? Verstanden? Verstanden?«
»Verstanden«, stimmt Simon unter Folter zu.
Ein anderer Maltby, einer, den Fran noch nicht kannte, aber immer in ihm vermutet hatte, weil er so unterschätzt und unterfordert auf sie wirkte. Außerdem ein anderer Stormont, der immer, wenn er spricht, mit finsterem Blick ins Leere starrt und alles gutheißt, was Maltby vorbringt.
Auch ein anderer Andy? Oder war er schon immer so, nur daß ich es nicht gemerkt habe?
Verstohlen läßt sie ihren Blick auf ihm ruhen.
Er war anders. Nicht größer oder dicker oder dünner. Nur weiter weg. Tatsächlich so weit weg, daß sie ihn am Tisch kaum wiedererkannte. Sein Rückzug, das wurde ihr jetzt klar, hatte im Kasino begonnen und sich mit der dramatischen Nachricht von Mellors’ bevorstehendem Eintreffen beschleunigt.
»Wer braucht diesen Blödmann überhaupt?« hatte er sie wütend gefragt, als ob er sie dafür verantwortlich machte, den Schuft herbeizitiert zu haben. »BUCHAN will ihn nicht sehen. BUCHAN ZWEI will ihn nicht sehen. Sie will ja nicht mal mich sehen. Keiner will ihn sehen. Das habe ich ihm bereits gesagt.«
»Dann sag’s ihm noch einmal.«
»Scheiße, das ist mein Revier. Nicht seins. Meine Operation. Was hat der Arsch sich da einzumischen?«
»Könntest du deine Ausdrucksweise etwas mäßigen? Er ist dein Chef, Andy. Er hat dich hierhergeschickt. Nicht ich. Gebietsleiter haben nun mal das Recht, ihren Leuten persönlich auf die Finger zu sehen. Auch in deinem Dienst, nehme ich an.«
»Unsinn«, schnaubte er, und als nächstes sah sie sich in aller Ruhe ihre Habseligkeiten packen und hörte Andy rufen, sie solle ihre ekelhaften Haare aus der Badewanne entfernen.
»Wovor hast du Angst, was könnte er denn herausfinden?« fragte sie eisig. »Er ist doch nicht dein Geliebter? Du hast doch kein Keuschheitsgelübde abgelegt? Oder doch? Du hast hier eine Frau gehabt, na und? Was ist daran verkehrt? Ich muß es ja nicht gewesen sein.«
»Vollkommen richtig.«
»Andy!«
Er zeigte sich zerknirscht, aber nur kurz und wenig überzeugend.
»Ich mag’s einfach nicht, wenn man hinter mir herschnüffelt«, sagte er mürrisch.
Doch als sie über diesen guten Witz erleichtert auflachte, nahm er ihren Autoschlüssel von der Anrichte, drückte ihn ihr in die Hand und brachte
Weitere Kostenlose Bücher