Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
hatte.
    Aber das war nicht neu.
    Mr. Osnard hatte sie seit jenem Ausflug nach Anytime Island neugierig gemacht, als sie zu dem Schluß gekommen war, daß Harry, um sein Gewissen zu beruhigen, sie mit ihm ins Bett schicken wollte, obgleich nach dem, was sie von Harrys Gewissen wußte, ein einziger Fick das Problem wohl kaum lösen konnte.
    Anscheinend hatte sie telefonisch ein Taxi bestellt, denn draußen vorm Haus stand eins, und jetzt läutete die Türglocke.
     
    Osnard wandte dem Guckloch den Rücken zu und ging durchs Eßzimmer zum Balkon, wo Luxmore, der vor Panik weder sprechen noch handeln konnte, noch immer in embryonaler Haltung saß. Seine blutunterlaufenen Augen waren weit aufgerissen, die Angst verzerrte seine Oberlippe zu einem höhnischen Grinsen. Zwischen Schnauzer und Kinnbart waren zwei gelbe Vorderzähne erschienen, offenbar die beiden, an denen er zu saugen pflegte, wenn er eine gelungene Redewendung unterstreichen wollte .
    »Ich bekomme unplanmäßigen Besuch von BUCHAN ZWEI«, erklärte Osnard ruhig. »Das bringt uns in eine unangenehme Lage. Sie sollten möglichst schnell von hier verschwinden.«
    »Andrew. Ich bin ein ranghoher Beamter. Mein Gott, was ist das für ein Lärm? Damit kann sie ja Tote aufwecken.«
    »Ich verstecke Sie zwischen den Mänteln. Wenn Sie hören, daß ich die Eßzimmertür hinter ihr schließe, fahren Sie mit dem Lift nach unten, geben dem Pförtner einen Dollar und bitten ihn, Ihnen ein Taxi zum El Panama zu besorgen.«
    »Mein Gott, Andrew.«
    »Was denn noch?«
    »Werden Sie damit auch fertig? Hören Sie doch nur. Schießt sie jetzt mit einer Pistole? Wir sollten die Polizei rufen. Andrew. Noch eins.«
    »Was denn?«
    »Kann ich dem Taxifahrer trauen? Man hört ja alles mögliche über diese Kerle. Leichen im Hafen. Und ich spreche nicht ihr Spanisch, Andrew.«
    Osnard zog Luxmore auf die Füße, führte ihn in den Flur, verfrachtete ihn in die Garderobe und schloß die Tür. Dann nahm er die Kette von der Wohnungstür, schob die Riegel beiseite, drehte den Schlüssel um und öffnete. Das Hämmern hörte auf, aber das Klingeln ging weiter.
    »Louisa«, sagte er, als er ihren Finger vom Klingelknopf zerrte. »Wunderbar. Wo ist Harry? Willst du nicht reinkommen?«
     
    Er verlagerte den Griff auf ihr Handgelenk, zerrte sie in den Flur und stieß die Tür zu, jedoch ohne wieder abzuschließen. Sie standen dicht voreinander, und Osnard hielt, als wollten sie zu einem altmodischen Walzer ansetzen, ihre Hand hoch, die Hand mit dem Schuh. Sie ließ den Schuh fallen. Kein Laut kam aus ihrer Kehle, nur ihr Atem, und der roch wie der Atem seiner Mutter, wenn er sich einen Kuß von ihr geben lassen mußte. Ihr Kleid war sehr dünn. Er fühlte unter dem roten Gewebe ihre Brüste und die Wölbung ihres Schamdreiecks.
    »Verdammt, was haben Sie mit meinem Mann gemacht?« sagte sie. »Was soll der Mist, den er Ihnen über Delgado erzählt hat – daß er Schmiergeld von den Franzosen nimmt und sich mit den Drogenkartellen einläßt? Wer ist Sabina? Wer ist Alpha?«
    Aber trotz aller Erregung klang ihre Stimme unsicher, und sie sprach so leise und verzagt, daß nichts davon durch die Garderobentür drang. Und Osnard mit seinem Instinkt für Schwäche spürte sofort, daß sie Angst hatte: Angst vor ihm, Angst um Harry, Angst vor dem Verbotenen und die Angst, und die war am größten, etwas so Schreckliches zu erfahren, daß sie es nie mehr würde verdrängen können. Doch Osnard wußte es bereits. Ihre Fragen waren die Antwort auf alles, was sich in den letzten Wochen wie unverstandene Signale in den Geheimkammern seines Bewußtseins angesammelt hatte:
    Sie weiß nichts . Harry hat sie nicht eingeweiht . Das Ganze ist ein Betrug .
    Offenbar wollte sie ihre Frage wiederholen oder präzisieren oder eine andere stellen, aber das konnte Osnard nicht riskieren, solange Luxmore womöglich etwas davon mitbekam. Also drückte er ihr eine Hand auf den Mund, drehte ihr den Arm auf den Rücken, bugsierte sie auf ihrem einen Schuh ins Eßzimmer und stieß dann mit dem Fuß die Tür hinter sich zu. Erst mitten im Zimmer blieb er stehen, ließ sie aber noch immer nicht los. Bei dem Gerangel waren zwei Knöpfe ihres Morgenrocks aufgegangen, und jetzt lagen ihre Brüste frei. Ihr Herz pochte spürbar unter seiner Hand. Ihr Atem ging jetzt ruhiger, in langgezogenen, keuchenden Zügen. Er hörte die Wohnungstür hinter Luxmore zufallen. Gleich darauf hörte er das Ping des ankommenden Aufzugs und das

Weitere Kostenlose Bücher