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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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aufrechten Mann erzählt, der nichts anderes im Sinn hat, als sich für Panama und den Kanal einzusetzen? Für richtig halten ! Du Scheißkerl – das hättest du wohl gerne, daß wir erst noch für richtig halten müssen, was wir uns in unserem eigenen Haus erzählen wollen! Du Hure. Du stinkendes Miststück, du hast mir den Mann und die Reisfarm gestohlen.
    Sabina !
     
    Endlich wußte Louisa den Namen der Hure. Da stand er in sorgfältig gemalten Schneider-Großbuchstaben, denn Großbuchstaben fielen ihm am leichtesten: Sabina, zärtlich mit einem Ballon umrandet. Sabina, und dahinter in Klammern Rad Stud. Du heißt also Sabina, du bist eine radikale Studentin, du kennst andere Studenten, du arbeitest für Dollarzeichen aus den USA – glaubst du jedenfalls, denn arbeitet für die USA steht in Gänsefüßchen, und du bekommst fünfhundert Dollar im Monat plus Prämien für besondere Leistungen. Alles akkurat in einem Flußdiagramm, wie Harry es von Mark gelernt hatte. Flußdiagramme müssen nicht linear sein, Dad. Die können wie Luftballons an Schnüren in jeder beliebigen Verknüpfung angeordnet werden. Man kann sie einzeln oder zusammen nehmen. Das ist ganz schön raffiniert. Die Schnur von Sabinas Luftballon führte geradewegs zu einem H, Harrys napoleonischem Namenskürzel, das er in grandiosen Momenten zu benutzen pflegte. Alphas Schnur hingegen – denn inzwischen hatte sie Alpha entdeckt – führte zu Beta, dann weiter zu Marco (Präsident) und erst dann zu H zurück. Auch die Schnur des Bären führte zu H, nur daß um dessen Ballon straffe Wellenlinien gezeichnet waren, als ob er jederzeit explodieren könnte.
    Mickie hatte einen Ballon für sich allein; er wurde als Boß der SO beschrieben, und seine Schnur verband ihn in alle Ewigkeit mit Rafis Ballon. Unser Mickie? Unser Mickie ist der Boß der SO? Und insgesamt sechs Schnüre verbinden ihn mit Waffen , Informanten , Schmiergeldern , Kommunikationswegen , Bargeld und Rafi ? Unser Rafi? Unser Mickie , der einmal wöchentlich mitten in der Nacht anruft, um uns seinen zigsten Selbstmord anzukündigen?
    Sie stöberte weiter. Sie suchte nach den Briefen dieser Hure Sabina an Harry. Falls es Briefe von ihr gab, hätte Harry sie aufbewahrt. Harry konnte nicht mal eine leere Streichholzschachtel oder einen übriggebliebenen Eidotter wegwerfen. Da kam mal wieder seine arme Kindheit durch. Sie wühlte alles durch, irgendwo mußten doch Sabinas Briefe sein. Unter ihrem Geld? Unter einer Bodendiele? In einem Buch?
    Großer Gott , Delgados Terminkalender . Geführt von Harry, nicht von Delgado. Nicht der echte Kalender, sondern eine Fälschung, die Linien mit einem harten Bleistift gezogen; das muß er aus meinen Papieren abgeschrieben haben. Delgados richtige Termine waren korrekt eingetragen. Falsche Termine standen in den Leerräumen dazwischen, wo er keine gehabt hatte:
     
    Mitternächtliches Treffen mit jap . › Hafenmeistern ‹, an dem der Präsident heimlich teilnahm … geheime Autofahrt mit dem frz . Botschafter , Übergabe eines Geldkoffers … Um 11 Uhr abends in Ramóns neuem Kasino Treffen mit einem Kurier des kolumbianischen Drogenkartells … Privates Abendessen außerhalb der Stadt mit jap . › Hafenmeistern ‹, pan . Beamten und dem Präsidenten …
     
    Mein Delgado soll so etwas tun? Mein Ernesto Delgado nimmt Geld vom französischen Botschafter? Hat Kontakt zu den kolumbianischen Drogenkartellen? Harry, bist du denn total von Sinnen? Was für üble Verleumdungen erfindest du über meinen Chef? Was für schmutzige Lügen erzählst du da? Und wem? Wer bezahlt dich für diese Schweinerei? » Harry !« schrie sie empört und verzweifelt. Aber sein Name wurde zu einem Flüstern, als das Telefon von neuem zu klingeln begann.
    Diesmal gewitzter, nahm Louisa nur ab und lauschte, sie sagte kein Wort, nicht einmal »Verschwinde aus meinem Leben«.
    »Harry?« Eine Frauenstimme, erstickt, schleppend, flehend. Das ist sie. Ferngespräch. Ruft von der Reisfarm aus an. Krachender Lärm im Hintergrund. Reißen wohl grade die Mühle ab.
    »Harry! Sag doch was!« schreit die Frauenstimme.
    Eine Spanierin. Daddy hat immer gesagt, denen darf man nicht trauen. Winselnd. Das ist sie. Sabina. Sie braucht Harry. Wer tut das nicht?
    »Harry, hilf mir, ich brauche dich!«
    Warte. Sag nichts. Sag ihr nicht, daß du nicht Harry bist. Hör dir an, was sie als nächstes sagt. Die Lippen zusammengekniffen. Den Hörer ans rechte Ohr gepreßt. Red schon , du Miststück!

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