Der Schneider
Bridge-Spielerin geschätzt, und schwarz wie dein Hut, meine Liebe. Phoebe hatte sich vorgenommen, ihren Mann zu einem geeigneten Zeitpunkt davon in Kenntnis zu setzen.
Paddy lag schon im Bett. Stormont hörte sie husten, als er nach oben ging.
Klingt so, als würde ich allein zu den Schoenbergs müssen, dachte er. Die Schoenbergs waren Amerikaner und kultivierte Leute. Elsie, eine tüchtige Anwältin, flog ständig nach Miami und führte dramatische Prozesse. Paul war beim CIA, und einer von denen, die nicht wissen durften, daß Andrew Osnard ein Freund war.
8
»Pendel. Zum Präsidenten bestellt.«
»Wer?«
»Sein Schneider. Ich.«
Der Palast der Reiher steht im Herzen der Altstadt auf einer Landzunge gegenüber von Punta Paitilla. Wer von der anderen Seite der Bucht aus dorthin fährt, gerät aus einem Inferno von Neubauten in die verkommene Eleganz dreihundert Jahre alter spanischer Kolonialarchitektur. Der Palast ist von grauenhaften Slums umgeben, deren Existenz man jedoch durch sorgfältige Wahl der Fahrtroute ignorieren kann. An diesem Morgen spielte vor dem alten Eingangsportal eine feierliche Blaskapelle Melodien von Strauß, Zuhörer waren eine Reihe leerer Diplomatenautos und etliche Polizeimotorräder. Die Musiker trugen weiße Helme, weiße Uniformen und weiße Handschuhe. Ihre Instrumente schimmerten wie Weißgold. Von der unzulänglichen Markise, unter der sie standen, liefen ihnen Ströme von Regenwasser in den Kragen. Die Doppeltüren wurden von schlechtgeschnittenen blaugrauen Anzügen bewacht.
Andere weißbehandschuhte Hände nahmen Pendels Koffer und schickten ihn durch einen elektronischen Scanner. Ihn selbst winkte man zu einem Gerüst, und als er darauf stand, fragte er sich, ob Spione in Panama erschossen oder gehängt wurden. Die behandschuhten Hände gaben ihm den Koffer zurück. Das Gerüst erklärte ihn für harmlos. Der große Geheimagent hatte Zutritt zur Zitadelle erhalten.
»Hier entlang, bitte«, sagte ein riesiger schwarzer Gott.
»Ich weiß«, sagte Pendel stolz.
Aus einem Marmorbrunnen in der Mitte einer weiten Marmorfläche stieg eine Fontäne auf. Milchweiße Reiher stelzten durch den Gischt und hackten nach allem, was ihnen gefiel. Andere blickten aus ebenerdigen Wandkäfigen finster auf die Vorübergehenden. Und das mit gutem Recht, fand Pendel, als er an die Geschichte dachte, die Hannah angeblich mehrmals die Woche zu hören bekam. Als Jimmy Carter 1977 nach Panama kam, um den neuen Kanalvertrag zu ratifizieren, sprühten Geheimdienstleute den Palast mit einem Desinfektionsmittel aus, das Präsidenten schützte, Reiher jedoch tötete. In einer streng geheimen Krisenoperation wurden die Kadaver beseitigt und im Schutz der Dunkelheit lebender Ersatz aus Chitré eingeflogen.
»Ihr Name, bitte?«
»Pendel.«
»Ihr Anliegen, bitte?«
Während er wartete, mußte er an die Bahnhöfe seiner Kindheit denken: zu viele große Leute, die in zu vielen Richtungen an ihm vorbeihasteten, und sein Koffer stand immer im Weg. Eine freundliche Dame sprach ihn an. Er drehte sich zu ihr um, dachte, es sei Marta, so schön war ihre Stimme. Dann fiel Licht auf ihr Gesicht, und es war nicht zerstört, und das Schildchen an ihrer Pfadfinderuniform sagte ihm, daß sie Helen hieß und dem Jungfrauenkorps des Präsidenten angehörte.
»Ist er schwer?« fragte sie.
»Leicht wie eine Feder«, versicherte er höflich und wies ihre jungfräuliche Hand von sich.
Pendel folgte ihr die breite Treppe hinauf und geriet aus dem Glanz des Marmors in tiefrotes Mahagonidunkel. Auch hier standen schlechte Anzüge mit Kopfhörern und musterten ihn aus säulengeschmückten Portalen. Die Jungfrau bemerkte, er habe einen hektischen Tag erwischt.
»Wenn der Präsident zurückkommt, geht es hier immer hektisch zu«, sagte sie und hob den Blick gen Himmel, wo sie lebte.
Fragen Sie nach den fehlenden Stunden in Hongkong , hatte Osnard gesagt. Und was er in Paris getrieben hat . Männer vernascht oder Verschwörungen ausgeheckt?
»Bis hierhin befinden wir uns unter kolumbianischer Herrschaft«, erklärte die Jungfrau und wies mit ihrer makellosen Hand auf Reihen von Porträts früherer panamaischer Gouverneure. »Von dort an unter den Vereinigten Staaten. Bald befinden wir uns unter uns selbst.«
»Großartig«, sagte Pendel begeistert. »Ist auch höchste Zeit.«
Sie kamen in eine holzvertäfelte Halle, die aussah wie eine Bibliothek ohne Bücher. Der süßliche Geruch von Bohnerwachs stieg ihm in
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