Der Schneider
Machtpoker seine Antwort bedenkt.
»Zu eng«, erklärt er. »Das ist viel zu eng, Mr. Braithwaite. Warum läßt ihr Schneider eurem Präsidenten keine Luft zum Atmen?«
»Harry«, sagt er zu mir, »also diese Parks in Paris! Wenn es nach mir ginge, könnte es so was auch in Panama geben, wenn wir bloß nicht diese Immobilienmakler und Kommunisten hätten.«
»Moment.« Osnard blätterte in seinem Notizbuch um und schrieb hastig weiter.
Sie saßen im vierten Stock eines Stundenhotels, das Paraiso hieß und in einem belebten Stadtviertel lag. Eine Coca-Cola-Leuchtreklame auf der anderen Straßenseite tauchte das Zimmer abwechselnd in rotes Flackern und Finsternis. Auf dem Flur drängten sich Pärchen, die kamen und gingen. Durch die Zimmerwände drang wütendes oder lustvolles Stöhnen und das schneller werdende Stoßen gieriger Leiber.
»Das hat er nicht gesagt«, meinte Pendel vorsichtig. »Jedenfalls nicht wörtlich.«
»Bitte nichts ausschmücken. Geben Sie’s genau so wieder, wie er’s gesagt hat.« Osnard befeuchtete einen Daumen und blätterte um.
Pendel sah Dr. Johnsons Sommerhaus in Hampstead Heath, damals, als er mit Tante Ruth wegen der Azaleen dorthin gegangen war.
»›Harry‹, sagt er zu mir, ›dieser Park in Paris, wenn mir doch nur der Name einfiele. Da gab es eine kleine Hütte mit Holzdach, n ur wir waren da und die Leibwächter und die Enten.‹ D er Präsident liebt die Natur. ›Und dort, in dieser Hütte, haben wir Geschichte gemacht. Und wenn alles nach Plan verläuft, wird eines Tages an der Holzwand eine Tafel angebracht, die der ganzen Welt verkündet, daß an dieser Stelle über den künftigen Wohlstand, das Wohlergehen und die Unabhängigkeit des dann endlich selbständigen Staates Panama entschieden wurde; dazu das Datum.‹«
»Mit wem hat er denn da gesprochen? Waren das Japaner, Franzosen, Chinesen? Er hat ja wohl nicht allein da gesessen und mit den Blumen geredet?«
»Nicht direkt, Andy. Es gab da gewisse Andeutungen.«
»Berichten Sie …«, wieder leckte er an seinem Daumen, man hörte ein leises Schmatzen.
»Harry, verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich so was sage, aber das klare Denken der Asiaten war wirklich eine Offenbarung für mich, und die Franzosen sind auch nicht ohne.«
»Hat er gesagt, was für Asiaten?«
»Nicht direkt.«
»Japaner? Chinesen? Malaien?«
»Andy, ich fürchte, Sie versuchen mir etwas einzuflüstern, woran ich vorher noch gar nicht gedacht hatte.«
Kein Geräusch, nur das Brüllen des Verkehrs, das Klappern und Rauschen der Klimaanlage und die Konservenmusik, die das übertönte. Und spanische Schreie, noch lauter als die Musik. Osnards Kugelschreiber jagte über die Seiten seines Notizbuchs.
»Und Marco hat was gegen Sie?«
»Schon immer, Andy.«
»Warum?«
»Die Höflinge im Palast sehen’s nicht gern, wenn irgendwelche hergelaufenen Schneider intime Plauderstündchen mit ihren Chefs ge nießen, Andy. Oder wenn der Chef zu ihnen sagt: ›M arco, Mr. Pendel und ich haben seit Ewigkeiten nicht mehr miteinander gesprochen, wir haben eine Menge nachzuholen, also seien Sie so gut und warten Sie bitte draußen vor der Tür, bis ich Sie wieder reinrufe …‹, so was hört niemand gern.«
»Ist er schwul?«
»Nicht daß ich wüßte, Andy, aber ich habe ihn nicht danach gefragt, und es geht mich auch nichts an.«
»Laden Sie ihn mal zum Essen ein. Verwöhnen Sie ihn, geben Sie ihm Rabatt auf einen neuen Anzug. So einen sollten wir besser auf unserer Seite haben. Hat er irgendwas von traditionellen antiamerikanischen Stimmungen gesagt, die unter den Japanern wieder wach werden?«
»Kein Wort, Andy.«
»Daß die Japaner die nächste Supermacht der Welt sind?«
»Nein, Andy.«
»Daß sie die natürlichen Führer der aufstrebenden Industrieländer sind? – auch nicht? Irgendwas über die Animosität zwischen Japanern und Amerikanern? – Daß Panama nur die Wahl zwischen dem Teufel und Beelzebub hat? – Daß der Präsident sich wie der Schinken im Sandwich vorkommt – irgendwas in der Richtung? – nein?«
»Nichts, was über das Übliche hinausgegangen wäre, Andy, nicht in bezug auf Japan. Nein. Oder doch, Andy, eine Anspielung fällt mir jetzt ein, wenn ich so darüber nachdenke.«
Osnard belebte sich.
»›Harry‹, sagt er zu mir, ›ich bete nur darum, daß ich niemals, niemals mehr gleichzeitig mit Japanern und Amis an einem Tisch sitzen muß, denn wie Sie leider an meinen grauen Haaren erkennen können, hat es
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