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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Will er mitmachen oder nicht?«
     
    Aber Pendel ließ sich nicht hetzen. Nicht, wenn es um Mickie ging. Wenn er von seinem Freund erzählte, nahm er sich Zeit. Er verfluchte sein Redetalent und wünschte sehr, es wäre nicht zu Mickies Auftritt an jenem Abend im Club Unión gekommen.
    »Es kann sein, daß er mitmacht, Andy. Wenn ja, dann aber unter Bedingungen. Er will erst noch mit sich zu Rate gehen.«
    Osnard schrieb wieder. Sein Schweiß tröpfelte auf die Plastiktischdecke. »Wo haben Sie ihn getroffen?«
    »Im Caesar Park, Andy. In dem langen breiten Flur vor dem Kasino. Dort hält Mickie Hof, wenn es ihm egal ist, mit wem er gesehen wird.«
    Die Wahrheit hatte kurz ihr gefährliches Haupt erhoben. Erst tags zuvor hatten Mickie und Pendel genau an der beschriebenen Stelle gesessen, hatte Mickie seine Frau mit Liebe und Schmähungen überhäuft und den Kummer seiner Kinder beklagt. Und Pendel, sein treuer Zellengenosse, hatte mit ihm gefühlt und sehr darauf geachtet, nichts zu sagen, das Mickie in die eine oder andere Richtung hätte beeinflussen können.
    »Haben Sie ihm die Sache mit dem stinkreichen exzentrischen Philanthropen aufgetischt?«
    »Ja, Andy, er hat sich das angehört.«
    »Ihm irgendeine Nationalität genannt?«
    »Nur vage, Andy. Wie Sie mir geraten haben. ›Mein Freund ist aus dem Westen, ein guter Demokrat, aber kein Amerikaner‹, habe ich gesagt. ›Weitere Auskünfte kann ich nicht geben.‹ ›Harry, Junge‹ – so spricht er mich häufig an: Harry, Junge – ›wenn er Engländer ist, bin ich schon fast dabei. Vergiß bitte nicht, daß ich in Oxford studiert und ein hohes Amt im englisch-panamaischen Kulturverein bekleidet habe.‹ ›Mickie‹, habe ich gesagt, ›vertrau mir, ich darf dir nicht mehr sagen. Mein exzentrischer Freund besitzt eine ziemliche Menge Geld, und er ist bereit, es dir zur Verfügung zu stellen, vorausgesetzt, er ist von der Rechtmäßigkeit deines Anliegens überzeugt. Und ich rede hier nicht von Kleingeld. Wenn jemand versuchen sollte, Panama den Kanal runtergehen zu lassen‹, habe ich gesagt, ›wenn die Knobelbecher wieder auftauchen und in den Straßen dem Führer zugebrüllt wird, wenn die Chancen einer kleinen, jungen, tapferen Nation, die sich gerade auf die Jungfernfahrt zur Demokratie begibt, zunichte gemacht werden, dann wird mein exzentrischer Freund mit seinen Millionen helfen, so gut er kann.‹«
    »Wie hat er darauf reagiert?«
    »›Harry, Junge‹, hat er gesagt. ›Ich will ganz ehrlich sein. Das mit dem Geld interessiert mich schon sehr, denn ich bin praktisch abgebrannt. Nicht die Kasinos haben mich ruiniert, oder was ich meinen geliebten Studenten zukommen lasse und den Menschen, die auf der anderen Seite der Brücke leben. Sondern meine bewährten Quellen, die Schmiergelder, die ich diesen Leuten zahle, meine Barauslagen. Nicht bloß in Panama, sondern auch in Kuala Lumpur, Taipeh und Tokio und wer weiß wo sonst noch. Ich bin pleite, so sieht die Sache aus.‹«
    »Wem muß er Schmiergelder zahlen? Wozu? Versteh ich nicht.«
    »Das hat er mir nicht gesagt, Andy, und ich habe nicht danach gefragt. Er hat nur Andeutungen gemacht, das ist so seine Art. Hat mir eine Menge von Spekulanten an der Hintertür erzählt, und von Politikern, die sich mit dem Erbe des panamaischen Volkes die Taschen füllen.«
    »Und was ist mit Rafi Domingo?« fragte Osnard mit der verspäteten Gereiztheit, wie sie Menschen überkommt, die jemandem Geld angeboten haben und plötzlich erkennen müssen, daß ihr Angebot akzeptiert wird. »Ich denke, Domingo finanziert ihn.«
    »Nicht mehr, Andy.«
    »Und warum nicht?«
    Wieder kam die Wahrheit Pendel vorsichtig zu Hilfe.
    »Señor Domingo ist seit einigen Tagen, wie ich’s mal ausdrücken will, kein gerngesehener Gast mehr an Mickies Tisch. Was allen anderen längst klar gewesen ist, ist schließlich auch Mickie klargeworden.«
    »Sie meinen, er hat seine Alte mit Rafi erwischt?«
    »Genau das, Andy.«
    Osnard mußte das erst einmal verdauen. »Diese Kerle machen mich fertig«, schimpfte er. »Intrigen hier, Intrigen da, Geschwafel vom großen Ausverkauf, von drohenden Putschen, stillen Oppositionen und Studenten im Widerstand. Gegen wen, zum Teufel, richtet sich diese Opposition? Was wollen diese Leute? Warum rücken die nicht mit der Sprache raus?«
    »Genau das habe ich ihm auch gesagt, Andy. ›Mickie‹, habe ich gesagt, ›mein Freund investiert sein Geld nicht in ein Rätsel. Solange es da draußen ein

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