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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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flüstern.«
    »Gesehen, was er unterschrieben hat?« Osnard bewegte behutsam den Kopf, um den Schmerz zu lindern.
    »Bei der Anprobe? Unmöglich, Andy.«
    »Gehört, was sie geflüstert haben?«
    »Nein, und ich glaube, Sie hätten auch nicht viel mitbekommen, wenn Sie da unten auf den Knien gelegen hätten.« Er nahm einen Schluck Wein. »›General‹, sage ich, ›falls ich ungelegen komme, falls ich Dinge hören könnte, die ich nicht hören sollte, dann sagen Sie es nur frei heraus. Das macht mir nichts, ich kann jederzeit wiederkommen.‹ Aber davon wollte er nichts wissen. ›Harry, ich bitte Sie, bleiben Sie hier. Sie sind ein verläßliches Floß in sturmgepeitschter See.‹ ›Na gut‹, sage ich, ›ich bleibe.‹ Dann kommt seine Frau herein, und niemand sagt etwas. Aber es gibt Blicke, die mehr sagen als tausend Worte, Andy, und das war so einer. Ich würde sagen, es war ein höchst bedeutungsschwerer Blick zwischen zwei Leuten, die sich sehr gut kennen.«
    Osnard notiert nicht besonders eilig. »›Der Oberbefehlshaber des Kommando Süd tauschte einen bedeutungsschweren Blick mit seiner Frau.‹ Da werden in London aber die Alarmglocken schrillen«, bemerkte er säuerlich. »Hat der General denn kein bißchen auf dem Außenministerium rumgehackt?«
    »Nein, Andy.«
    »Mit keinem Wort über diesen lahmen Haufen gemeckert, alle schwul und überqualifiziert, diese vertrockneten spießigen CIA-Studenten, die ihm direkt aus Yale auf den Hals geschickt werden?«
    Pendel sammelt seine Erinnerungen. Umsichtig.
    »Ein bißchen , Andy. Es lag sozusagen in der Luft.«
    Osnard notiert mit etwas mehr Begeisterung.
    »Hat er über Amerikas Machtverlust gejammert, über die zukünftigen Besitzverhältnisse am Kanal spekuliert?«
    »Die Atmosphäre war angespannt, Andy. Es wurde von den Studenten gesprochen, und nicht gerade respektvoll.«
    »Nur seine Worte, wenn’s geht, ja? Zitieren Sie, das Ausschmücken überlassen Sie mir.«
    Pendel zitierte wie gewünscht. »›Harry‹, sagt er zu mir – und zwar ganz leise – ich stehe vor ihm und beschäftige mich mit seinem Kragen –, ›ich gebe Ihnen einen guten Rat, Harry, verkaufen Sie Ihren Laden und Ihr Haus, und schaffen Sie Frau und Familie aus diesem Höllenloch von einem Land, solange noch Zeit ist. Milton Jenning war ein großartiger Pionier. Seine Tochter hat etwas Besseres verdient.‹ Ich war wie betäubt. Ich konnte nicht sprechen. Ich war zu bewegt. Dann hat er gefragt, wie alt unsere Kinder sind, und war richtig erleichtert, daß sie noch lange nicht studieren, denn die Vorstellung, Milton Jennings Kinder könnten mit einem Haufen langhaariger Kommunistenschweine durch die Straßen rennen, sagte ihm überhaupt nicht zu.«
    »Warten Sie.«
    Pendel wartete.
    »Gut. Weiter.«
    »Dann hat er gesagt, ich soll auf Louisa aufpassen; sie sei ihres Vaters würdig, sie verdiene Respekt, weil sie es mit diesem doppelzüngigen Arschloch aushalte, diesem Dr. Ernesto Delgado von der Kanalkommission, den Gott strafen möge. Und der General läßt sich sonst nie zu solchen Ausdrücken hinreißen, Andy. Ich war erschüttert. Sie wären es auch gewesen.«
    » Delgado ein Arschloch?«
    »Richtig, Andy«, sagte Pendel und dachte an die wenig hilfreiche Haltung dieses Gentleman beim Abendessen in seinem Haus, aber auch an all die Jahre, in denen man ihn gezwungen hatte, Delgado als moderne Version Braithwaites zu betrachten.
    »Und wieso doppelzüngig?«
    »Das hat der General nicht gesagt, Andy, und fragen konnte ich ihn ja wohl schlecht.«
    »Hat er was über die US-Militärbasen gesagt, ob die bleiben oder verschwinden?«
    »Nicht direkt, Andy.«
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?«
    »Es gab ein paar Witze. Galgenhumor. Bemerkungen in der Richtung, es werde nicht mehr lange dauern, bis die Toiletten überlaufen.«
    »Sicherheit der Schiffahrt? Drohungen von arabischen Terroristen, den Kanal lahmzulegen? Daß die Yankees einfach bleiben müssen, um den Drogenkrieg weiterzuführen, die Waffenhändler zu kontrollieren, den Frieden zu erhalten?«
    Pendel schüttelte zu jedem dieser Vorschläge bescheiden den Kopf. »Andy, Andy, ich bin Schneider, schon vergessen?« – und schenkte einem am blauen Himmel kreisenden Schwarm Fischadler ein tugendhaftes Lächeln.
    Osnard bestellte zwei Gläser Flugzeugsprit. Davon beflügelt, verhielt er sich konzentrierter, und seine kleinen schwarzen Augen begannen wieder zu funkeln.
    »Na schön. Zeit zum Beten. Was hat Mickie gesagt?

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