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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Jahre zuvor schon seinem ersten General berechnet. Die Taille mußte noch enger gemacht werden. Der General hatte kein Gramm Fett am Leib und die Figur eines Starathleten.
    »Ich nehme an, der nächste Bewohner dieses Hauses wird ein Japaner sein«, lamentierte der Horchposten und winkelte den Arm des Generals an, wobei beide in den Spiegel sahen. »Dazu seine Familie und der ganze Anhang einschließlich Köchin. Mich würde das nicht wundern. Man sollte meinen, manche von denen hätten noch nie etwas von Pearl Harbor gehört. Ehrlich gesagt, General, mich bedrückt das, wie die alte Ordnung abgelöst wird, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.«
    Die Antwort des Generals, falls er denn überhaupt soweit kam, sich eine auszudenken, ging im lebhaften Auftritt seiner Frau unter.
    »Harry Pendel, Sie lassen sofort meinen Mann in Ruhe«, rief sie temperamentvoll, mit einer großen Vase voller Lilien aus dem Nichts auftauchend. »Er gehört mir allein, und Sie ändern an diesem Anzug kein bißchen mehr. Der ist ja so sexy, so was hab ich noch nie gesehen. Ich werde auf der Stelle noch einmal mit ihm durchbrennen. Wie geht’s Louisa?«
     
    Sie trafen sich in einem 24-Stunden-Café mit Neonbeleuchtung in der Nähe des heruntergekommenen Bahnhofs, der jetzt als Ausgangspunkt für Tagesausflüge auf dem Kanal diente. Osnard saß zusammengesunken an einem Ecktisch; er trug einen Panamahut, neben ihm stand ein leeres Glas. Er hatte in der Woche, seit Pendel ihn das letztemal gesehen hatte, an Gewicht und Jahren zugelegt.
    »Tee, oder auch so einen?«
    »Ich nehme Tee, bitte, Andy, wenn’s recht ist.«
    »Tee«, rief Osnard grob der Kellnerin zu und fuhr sich schwerfällig mit der Hand durchs Haar. »Und noch so einen.«
    »Schlimme Nacht gehabt, Andy?«
    »Immer im Dienst.«
    Durch das Fenster konnten sie das verrottende Inventar aus Panamas goldenem Zeitalter betrachten. Alte Eisenbahnwaggons, die Polstersitze von Ratten und Landstreichern herausgerissen, die Messinglampen auf den Tischen noch unversehrt. Rostige Dampflokomotiven, Drehscheiben, Güterwaggons, Kohlewagen, alles verwitterte wie Spielzeug, das ein verwöhntes Kind weggeworfen hat. Unter den Markisen auf dem Bürgersteig drängten sich Rucksacktouristen und wimmelten Bettler ab, zählten durchweichte Dollarscheine und versuchten spanische Schilder zu entziffern. Es hatte fast den ganzen Vormittag geregnet. Es regnete immer noch. Im Restaurant stank es nach warmem Benzin. Schiffssirenen stöhnten durch den allgemeinen Lärm.
    »Wir haben uns zufällig getroffen«, sagte Osnard und rülpste diskret. »Sie waren einkaufen, ich habe mich nach den Abfahrtszeiten der Boote erkundigt.«
    »Ich war einkaufen? Was denn?« fragte Pendel verwirrt.
    »Mir doch egal.« Osnard nahm einen großen Schluck Brandy, Pendel nippte an seinem Tee.
     
    Pendel am Steuer. Wegen der CD-Kennzeichen an Osnards Auto hatten sie sich auf den Geländewagen geeinigt. Kleine Kapellen am Straßenrand bezeichneten Stellen, an denen Spione und andere Autofahrer zu Tode gekommen waren. Geduldige Indiofamilien mit Bündeln auf den Köpfen trieben unruhige Ponys mit riesigen Lasten vor sich her. An einer Kreuzung lag eine tote Kuh. Ein Schwarm schwarzer Geier zankte sich um die besten Stücke. Ein Platter an einem Hinterreifen machte durch betäubendes MG-Geknatter auf sich aufmerksam. Während Pendel den Reifen wechselte, hockte Osnard in seinem Panamahut mürrisch am Straßenrand. Dann ein Restaurant außerhalb der Stadt. Holztische unter Plastikmarkisen, Hühner auf dem Grill. Der Regen hörte auf. Grelle Sonne auf einem smaragdgrünen Rasen. In einer glockenförmigen Voliere kreischten Papageien grünrot Zeter und Mordio. Pendel und Osnard waren allein, abgesehen von zwei dicken Männern in blauen Hemden, die an einem Tisch auf der anderen Seite der hölzernen Terrasse saßen.
    »Kennen Sie die?«
    »Nein, Andy, erfreulicherweise nicht.«
    Und zwei Gläser weißen Hausweins, um das Huhn runterzuspülen – na schön, eine Flasche, aber dann verpißt euch und laßt uns in Frieden.
     
    »Ich glaube, sie sind ziemlich nervös«, fing Pendel an.
    Osnard stützte den Kopf auf die gespreizten Finger einer Hand, mit der anderen machte er Notizen.
    »Um den General ist ständig ein halbes Dutzend Leute herum, keine Chance, ihn allein zu sprechen. Unter anderem war ein Colonel da, großer Bursche, hat ihn dauernd beiseite genommen. Um irgendwas unterschreiben zu lassen, oder ihm was ins Ohr zu

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