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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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normalerweise findet ein Schulwechsel doch zum Ende des Schuljahrs statt, oder vielleicht auch mal zum Halbjahr. Aber Laura hat im November 92 gewechselt, also mitten im Schuljahr. Warum?«
    Ava Bjely sah an Jan vorbei ins Leere, als müsste sie dort die Antwort suchen.
    Die Stille summte in Lauras Ohren. Jan, wo bist du!, flehte sie. Die Handschelle schnitt ihr in die Haut. In ihrer Kehle steckte schon der Schrei. Sie verfluchte den Moment, in dem sie den Deckel wieder auf den Stutzen gesetzt hatte. Vielleicht war Jan schon längst im Haus, und sie hörte ihn nur nicht? Ihr Blick fiel auf die Wasserflasche. Vielleicht war das ja eine Möglichkeit? Sie hob sie auf, wandte sich dem Abflussrohr zu, zielte auf den Deckel – und warf.
    Die Flasche verfehlte den Deckel nur knapp und knallte gegen das Rohr. Ein dumpfer hohler Ton hallte durch den Raum.
    Jans Blick flog zur Küche, von wo ein Geräusch gekommen war. Ava Bjely, die mit dem Rücken zur Küche saß, regte sich nicht. Nur ihre Augen verrieten, dass sie es auch gehört hatte.
    Schließlich zuckte sie mit den Schultern und murmelte: »Fanny ist nicht mehr die Jüngste. Hin und wieder geht ihr etwas zu Bruch.«
    Jan hob die Brauen und fragte sich kurz, wie Ava Bjely wohl mit ihrer Hausangestellten verfuhr. Ob sie ihr so etwas vom Lohn abzog? »November 92«, erinnerte er und nahm damit das Gespräch wieder auf. »Warum haben Sie Laura mitten im Schuljahr wechseln lassen?«
    »Es schien mir wohl einfach der richtige Zeitpunkt zu sein. Einen speziellen Anlass gab es nicht, soweit ich mich erinnern kann.«
    Jan schwieg. Es war offensichtlich, dass sie log. Irgendetwas musste passiert sein. »Und warum kein Internat in Berlin? Nordholm ist über 300 Kilometer entfernt.«
    »Ich wollte, dass sie einen Neustart hat, glaube ich. Neue Leute kennenlernt. Außerdem gab es im Berliner Umland kein adäquates Internat. Das war 1992, relativ kurz nach dem Mauerfall.«
    Jan nickte. Es klang plausibel, trotzdem war er sicher, dass sie etwas verschwieg. »Letztes Mal haben Sie gesagt, Laura ist eine Krankheit, und wenn sie verschwindet, dann würde es Sie nicht interessieren.«
    Ava Bjely sah ihn mit ausdrucksloser Miene an. »Ich habe nicht gesagt, es interessiert mich nicht. Ich habe gesagt, wenn sie nicht wieder auftaucht, dann ist das besser so.«
    Jan brauchte einen Moment, bis er die Antwort verdaut hatte. Was ging nur in dieser Frau vor? »Mir will nicht in den Kopf, warum Sie Laura so hassen.«
    »Hassen? Nein. Ich hasse meine Tochter nicht.«
    »Was dann?«
    »Das würden Sie nicht verstehen.« Ava Bjely starrte auf den Tisch. Ihre Miene war hart geworden.
    »Wenn Sie sie nicht hassen, warum behandeln Sie sie dann so?«
    »Hassen Sie Ihr Feuermal?«
    Jan zögerte einen Moment. »Nein.«
    »Aber Sie würden es gerne loswerden.«
    Jan schwieg.
    »Weil es wie ein Mal ist, das Ihnen der Teufel ins Gesicht gespuckt hat, und alles, was in Ihrem Leben wirklich mies gelaufen ist, klebt daran fest, habe ich recht?«
    Jan schluckte. Plötzlich begriff er. Vielleicht war Laura gar nicht die Ursache für Ava Bjelys Verbitterung. Katy fiel ihm ein, die ihre beiden Töchter nicht um sich haben wollte, weil die beiden sie so sehr an Sören erinnerten.
    Er musterte Ava Bjely, wie sie dasaß, mit zusammengekniffenen Lippen. »Um wen geht es hier eigentlich? Ihren Mann?«
    Es war plötzlich still im Raum.
    Über ihnen rumpelte es leise, dann hörte Jan das stark gedämpfte Geräusch eines Staubsaugers.
    »Lassen Sie meine Ehe aus dem Spiel«, sagte Ava Bjely kalt.
    »Warum bestrafen Sie Laura für etwas, das Sie Ihrem Mann übelnehmen?«
    »Gott, sind Sie selbstgerecht«, zischte sie. »Was ist denn mit Ihren Eltern? Was glauben Sie, warum Ihre Mutter abgehauen ist?«
    Jan saß da, wie vom Donner gerührt.
    »Weil Ihr Vater ein Schwein ist? Glauben Sie, es ist so einfach?«
    »Lassen Sie meine Familie aus dem Spiel«, presste Jan hervor.
    »Sie haben doch damit angefangen, den Finger auf die Wunde zu legen. Also, was denken Sie, weshalb ist sie gegangen? Weil Ihr kleiner Bruder gestorben ist?«
    »Hören Sie auf.«
    »Weil Sie ihn nicht angeschnallt haben? Oder ist es komplizierter?«
    »Es reicht!«, brüllte Jan.
    War das nicht gerade Jans Stimme? Laura hielt den Atem an.
    »Ich versuche gerade Ihrer Tochter den Arsch zu retten, verdammt! Warum kapieren Sie das nicht.«
    Ja! Das war Jan. Ganz eindeutig.
    »Jan«, schrie sie. »Jaaaaaan! Ich bin hier! Hilfe!«
    »Ich kann selbst auf

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