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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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soll?«
    »Papa, bitte«, schaltete Katy sich ein. »Lass uns jetzt nicht streiten. Nicht hier.«
    »Ich streite doch gar nicht.«
    Ein ›Ping‹ ertönte, und die Aufzugstür schloss sich wieder. Jan sah, wie sein Vater seinen Gehstock hob und in den Spalt hielt. Die Bewegung war sicher und zielgerichtet, trotzdem offenbarte der lange Stock das Zittern seiner Hände. Die Fahrstuhltür stieß an den Holzstock, blockierte kurz und öffnete sich dann wieder.
    Karl Floss murrte leise und trat aus dem Aufzug heraus. »Wenn ihr schon nicht wegen mir hier seid, wen sucht ihr dann?«
    »Wir kommen schon klar, danke«, sagte Jan und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
    »Das war kein Hilfsangebot, das war eine Frage.«
    Jan zog die Hand zurück und sah seinen Vater an. »War das jetzt sachlich gemeint? Oder eine von deinen Provokationen?«
    »Du bist undankbar«, stellte Jans Vater fest.
    Jan schnaubte. Das reicht jetzt, dachte er und zog am Türgriff, doch die Tür war verschlossen.
    Für einen Moment meinte er einen zufriedenen Zug um den Mund seines Vaters zu erkennen.
    »Papa«, sagte Katy.
    »Was denn, mein Kind?«
    »Wir suchen eine Dr. Maria Hülscher. Wir wissen, dass sie hier im Heim ist, aber nicht, wo. Und wir müssen sie unbedingt sprechen. Kannst du uns helfen?«
    Karl Floss sah Jan herausfordernd an, seine freie Hand wies auf Katy. »Siehst du, so macht man das. Wenn man Hilfe von jemandem möchte, dann fragt man ihn höflich.«
    »Papa!« , bremste Katy. »Kennst du sie?«
    »Klar kenne ich sie. Maria ist Psychologin – und dement. Eine aparte Mischung. Sie plaudert immer über ihre alten Fälle. Das darf sie zwar nicht, aber wer will es ihr schon verbieten? Schließlich ist sie etwas wirr. Man kann ihr ja schlecht den Mund zukleben.«
    »Wir müssen mit ihr reden, Papa. Es ist wirklich dringend.«
    Karl Floss’ braune Augen wanderten zwischen Katy und Jan hin und her, dann nickte er, als hätte er einen Entschluss gefasst. »Wartet hier.«
    Er rief den Aufzug und verschwand hinter der leise rumpelnden Tür.
    Wenige Minuten später trat Karl Floss, begleitet von einem weiteren ›Ping‹, wieder aus dem Fahrstuhl, grinste verschmitzt und hielt einen Schlüssel in die Höhe. »Dann mal los.«
    »Danke«, sagte Jan perplex und griff nach dem Schlüssel.
    Sein Vater zog hastig die Hand zurück. »Ich komme selbstverständlich mit.«
    »Ausgeschlossen«, protestierte Jan.
    Karl Floss seufzte. »Jetzt hör mir mal genau zu, mein Junge. Mich hat es aus dem Rennen geschmissen, und jetzt sitze ich hier –«
    »Darf ich dich daran erinnern, dass du freiwillig hierher gegangen bist?«, unterbrach Jan gereizt.
    »– und langweile mich zu Tode. Gut, ich hab vielleicht nicht mehr viel Kraft. Mein Herz ist ziemlich ramponiert, wer weiß, wie lange das noch gutgeht, aber was würdest du tun, wenn dein Sohn nicht ein einziges verdammtes Mal zu Besuch kommt? Wenn sich dann plötzlich die Polizei nach ihm erkundigt und sagt: Herr Floss, wir suchen Ihren Sohn, wegen Mordes. Nicht wegen Steuerhinterziehung oder Betrug oder irgendwelcher anderer Gaunereien. Nein. Wegen Mord ! Und dann steht er irgendwann vor dir, dein Sohn. Mitten in der Nacht, und will eine wildfremde demente Psychologin sprechen. Keine Erklärung, kein Garnichts. Was würdest du wohl tun, hm?«
    »Es ist nicht mitten in der Nacht«, sagte Jan.
    »Ach! Und das hier ist kein Schlüssel.«
    »Bitte gib mir einfach den Schlüssel, ja? Ich will nicht, dass du da mit reingezogen wirst.«
    »Blödsinn«, schnaubte sein Vater. »Ich bin doch schon mittendrin. Ich bin dein Vater, ob’s dir passt oder nicht. Und wenn du mich jetzt nicht dabeihaben willst – auch gut. Aber dann erklärst du mir hier und jetzt, was diese ganze Geheimnistuerei soll.«
    »Dafür haben wir beim besten Willen keine Zeit.«
    Karl Floss lächelte wie ein greiser Wolf und hielt den Schlüssel mit spitzen, zitternden Fingern in die Höhe.
    Jan atmete tief durch. »Na schön«, gab er nach.
    Karl Floss lotste sie die Treppe empor in den dritten Stock. Dort schloss er die rechte Tür auf, warf vorsichtig einen Blick in den Flur und bedeutete Jan und Katy, ihm zu folgen. Eine spartanische Nachtbeleuchtung tauchte den PVC-Boden in einen grüngrauen Neonschimmer. Die Geräuschkulisse war dieselbe wie drüben, nur dass die Fernseher hier lauter waren. Durch eine der Türen drang ein mattes gequältes Stöhnen, das nicht von dieser Welt war, immer und immer wieder, im immer gleichen Abstand.

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