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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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sterben lassen, statt die kleinen weißen Hähne an den Schläuchen wieder zuzudrehen. Aber irgendwie war ihm das nicht richtig vorgekommen.
    Wie sie da hockte! Vor ihrer Pritsche, immer mit dem gleichen Gesichtsausdruck, immer die Decke über sich, obwohl es viel zu warm hier drinnen war, und immer kniff sie die Beine auf die gleiche Weise zusammen, all das, damit er ihre Scham und Brüste nicht sehen konnte. Ganz automatisch musste er wieder an Laura denken. Plötzlich klang das Wort Prinzessin ganz und gar hohl, so wie es ihm gerade herausgerutscht war. Das hier war keine Prinzessin. Nicht, solange es Laura gab.
    Laura war eine Prinzessin.
    Diese Frau hier war es nicht. Diese Frau war ein Planet zu viel.
    »Weißt du, warum Gravitation so wichtig ist?«, fragte er.
    Stille. Keine Antwort.
    »Ohne Gravitation übernimmt das Chaos die Kontrolle. Leute wie mein Vater. Leute wie Jan Floss. Oder Ärzte. Alle möglichen Kräfte bestimmen dann über dich. Es gibt kein Richtig und kein Falsch mehr. Keine klaren Umlaufbahnen. Die Falschen leben, und die Richtigen kommen um.«
    Wieder keine Reaktion.
    »Du könntest wenigstens nicken.«
    Sie nickte.
    »Aber du verstehst es nicht, oder?«
    Nach kurzem Zögern schüttelte sie den Kopf.
    »Stell dir vor, es gibt da einen Arzt. Einen Chefarzt. Dieser Chefarzt ist ein arroganter anmaßender Mistkerl. Er ist ein Asteroid. Und du bist auf deiner Umlaufbahn. Jemand hat dich dahin gesetzt. Das ist gut und richtig so. Vorherbestimmt. Du ziehst deine Bahnen. Und jetzt kommt der Chefarzt. Du weißt, er ist dafür bezahlt worden, dich bei deiner nächsten Operation zu töten. Das Geld ist geflossen, und er ist auf Kollisionskurs. Wenn er einschlägt, wird er dich vernichten. Würdest du dir nicht wünschen, ich würde ihn besuchen, diesen scheiß Asteroid?
    Ich würde zu ihm nach Hause fahren, mich in seiner Garage verstecken. Gegen zwei Uhr nachts bewegt sich das Garagentor wie von Geisterhand. Fernsteuerung. Zwei runde Scheinwerfer. Er kommt mit seinem scheißteuren und scheißlauten Porsche in die Garage gerollt. Ich verstecke mich hinter seinem Zweitwagen, einem Benz.
    Das Garagentor geht zu, das Neonlicht springt an, und der Arzt steigt aus. Denk daran, er ist der Asteroid, der dich killt. Er hat Kurs auf dich genommen. Wie in Armageddon . Das Ding fliegt auf dich zu wie in einem Hollywood-Film.
    Ich richte mich auf, damit er mich sieht, und lege den Finger auf die Lippen. Er keucht nur, schafft es noch nicht einmal, zu schreien.
    Ich bin mit zwei Schritten bei ihm, halte ihm ein Messer an die Kehle.
    ›Wer … wer sind Sie‹, stammelt er.
    Ich lächele nur.
    ›Was wollen Sie? Wollen Sie Geld? Ich … mein Portemonnaie ist –‹
    ›Ich will Ihr Geld nicht‹, unterbreche ich ihn. ›Ich will, dass Sie die Operation abblasen und sie nicht töten.‹
    Er starrt mich entgeistert an, ist entsetzt darüber, was ich alles weiß, und behauptet: ›Ich würde nie jemanden töten.‹
    Und in diesem Moment weiß ich, dass dieses Gespräch sinnlos ist. Er fliegt und fliegt und wird nicht bremsen. Ich muss mich entscheiden. Ich bin Bruce Willis. Ich bin auf dem scheiß Asteroid gelandet. Was soll ich tun? Was würdest du von mir erwarten?«
    Sie gab keine Antwort. Sie hockte nur da, sah ihn an, mit ihren starren und zugleich matten Augen. Die lange Zeit in ihrem Gefängnis hatte sie mürbe gemacht, wie all die anderen vor ihr auch. Dennoch gab es keinen besseren Weg, ihr den Teint zu verschaffen, den sie brauchte.
    »Ich sage dir, was du wollen würdest. Tu es, würdest du denken. Jag das scheiß Ding in die Luft. Vielleicht würdest du es nicht sagen, aber du würdest es denken. Und ich würde es tun. Für dich! Wärst du mir dankbar?«
    Er sah, wie sie zögerte – war das zu glauben?
    Endlich nickte sie.
    »Das solltest du auch«, flüsterte er. »Manchmal muss man das Falsche tun, weil es richtig ist. Weil nur so das Richtige möglich wird. Das Richtige hat manchmal zu wenig Platz im Universum.«
    Wieder nickte sie stumpf.
    »Dann wirst du auch verstehen, dass ich den Platz brauche. Für die beiden Mädchen.«
    Er sah ihr an, dass sie es wieder nicht verstand.
    Erst als sie die glänzende scharfe Klinge sah, schrie sie.
    Mit federleichtem Herzen trat er an sie heran. Er wusste ja, dass es richtig war.
    Planeten reduzieren. Übersicht gewinnen.
    Aber war es denn richtig?
    Oder war er gerade dabei, die Kontrolle zu verlieren, wegen eines scheiß Asteroiden?
    Hieß Kontrolle nicht auch

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