Der Schock: Psychothriller (German Edition)
etwas aushalten können?
Abwarten können?
Vielleicht gab es noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht lohnte es sich, sie aufzuheben. In zehn Tagen war Halloween. Vielleicht hatten sich bis dahin die Dinge geändert.
Zu viel Vielleicht , dachte er.
Vielleicht, das ist Froggy.
Ich bin Fjodor.
Er starrte sie an, dieses weiße Häufchen Unglück. Sie konnte immer noch eine Prinzessin werden.
Ohne ein Wort drehte er sich um und eilte aus dem Raum. Es reicht auch eins der Mädchen, dachte er. Auch das wird die Zahl der Planeten reduzieren.
Kapitel 38
Berlin, 21. Oktober, 22:38 Uhr
Jan trat mit seinem Vater und Katy aus dem Haupteingang des Seniorenheims. Der Regen trommelte wie wild auf das Vordach. An der linken Vorderkante lief ein dickes Rinnsal vom Dach herunter und spritzte auf das Pflaster.
Karl Floss reichte seinem Sohn einen dunkelgrauen Regenschirm.
»Danke«, murmelte Jan.
»Du bist mir noch ein paar Erklärungen schuldig«, sagte sein Vater. Er hatte ganz kleine Augen und sah aus, als bräuchte er schon seit Stunden dringend Ruhe.
»Du bist mir auch ein paar Erklärungen schuldig, aber ich bekomme sie trotzdem nie.«
»Was für Erklärungen sollen das denn bitte sein?«
Jan sah ihn fassungslos an. »Ist das dein Ernst?« Das Gespräch mit Maria Hülscher war plötzlich wie weggewischt. »Du setzt mich vor die Tür, verkaufst die Firma, ohne es mit mir zu besprechen? Und dann fragst du noch, welche Erklärung du mir schuldig bist?«
Karl Floss schüttelte unwillig den Kopf. »Ich hab dir einen Gefallen getan. Ich versteh dieses ganze undankbare Geschwätz überhaupt nicht.«
»Einen Gefallen ?«
»Was denn sonst? Ich wusste doch, dass du niemals in der Branche arbeiten wolltest. Das wolltest du nie. Werbung! Das war doch für dich immer der letzte Dreck. Das wollte ich dir nicht antun. Also habe ich Eisner abgesagt, schweren Herzens.«
»Abgesagt?«, wiederholte Jan.
»Er hätte mehr bezahlt, wenn du in der Agentur geblieben wärst. Aber ich habe darauf bestanden, dass du da rauskommst.«
Jan kam sich vor, als hätte ihm jemand die Beine weggerissen. »Warum fragst du mich nicht einfach, bevor du so etwas entscheidest, verdammt?«
»Fragen, fragen«, brummte sein Vater. »Ich weiß doch, wie du bist.«
»So? Meinst du? Ich weiß gar nicht, ob ich jemals etwas gegen Werbung hatte.«
»Doch, hattest du.«
»Ich hatte etwas dagegen, in deiner Firma zu arbeiten. Mit dir als Chef. Mit deinen Ansprüchen. Ich –« Jan brach ab, weil er Katys Hand auf seinem Rücken spürte.
Sein Vater starrte ihn an, mit offenem Mund, zutiefst verletzt. »Ich hab das für dich gemacht.«
»Großartig«, stieß Jan hervor, hob in einer Geste von Rat- und Fassungslosigkeit die Hände und ließ sie wieder fallen.
Niemand sagte etwas.
Jan fühlte sich so einsam wie schon lange nicht mehr, und gleichzeitig spürte er, dass sein Vater es ernst gemeint hatte. Er hatte wirklich geglaubt, das Richtige zu tun. Wir sind wie ein Puzzle, in dem die verbindenden Teile fehlen, dachte er. Was wäre gewesen, wenn Theo noch da wäre? Wenn seine Mutter geblieben wäre?
Sein Vater seufzte. Es klang beinah wie ein Knurren. »Wenn das falsch war, dann tut es mir leid.«
Jan nickte. Er wusste, dass es eine Entschuldigung war, aber es fühlte sich dennoch nicht so an.
»Ich glaube, wir sollten los, nach Hause«, sagte Katy leise.
Nach Hause. Wo war das eigentlich, fragte sich Jan. Etwa bei Greg? Der Gedanke kam ihm grotesk vor, traf aber zu. »Ja. Sollten wir wohl«, sagte er. Er straffte die Schultern, sah, wie Katy sich von ihrem Vater verabschiedete. Er selbst schaffte es nicht, ihn zu umarmen, stattdessen spannte er den Schirm auf, nickte knapp und lief los.
»Viel Glück«, rief sein Vater ihm nach.
Jan drehte sich um, sah, wie er da stand, ein alter Mann mit einem Gehstock, verlorenem Blick, hinter einem Vorhang aus Regen.
»Danke«, rief Jan. »Für vorhin, mit Maria Hülscher.«
Sein Vater hob die Hand für ein kurzes steifes Winken. Katy hakte sich bei ihm ein und schlüpfte unter den Schirm.
Wenig später in der Bahn, schwiegen Jan und Katy immer noch. Das Wasser tropfte vom Regenschirm auf den Boden und bildete eine Pfütze.
Katy hatte ihr Smartphone in den Händen und tippte darauf herum. »Der Stadtneurotiker, von Woody Allen«, sagte sie schließlich. »Das war 1977.« Sie ließ ihr Smartphone sinken. Es war typisch für Katy, dass sie Jans Streit mit ihrem Vater nicht weiter erwähnte. Und er war ihr
Weitere Kostenlose Bücher