Der Schockwellenreiter
Sag' mal, weißt du was? Ab und zu habe ich Alpträume. Ich tippe meinen Code ins Gerät, und dann bekomme ich die Auskunft: Gelöscht.«
»Mir geht's genauso«, sagte Ina. »Und ich bezweifle, daß wir die einzigen sind.«
Von neuem zu gedeihen begonnen
Seit damit aufgehört worden war, täglich seinen Schädel zu rasieren, hatte die Kopfhaut zu jucken angefangen. Bisher hatte er der Versuchung widerstanden, sich zu kratzen, aber dann und wann konnte er doch nicht anders und schabte sich wenigstens ein bißchen am Kopf. Er konnte sich vorstellen, daß er auf seine Beobachter, von denen er zwar wußte, daß es sie gab, jedoch nicht die Identität kannte, den Eindruck erweckte, als gäben ihm die Informationen, mit deren Kenntnisnahme er sich befaßte, Rätsel auf. Er hielt sich durch die 3dF-Nachrichten auf dem laufenden. Seit seiner Verlegung in diese komfortable Unterkunft verbrachte er viel Zeit damit, sich über die Entwicklungen draußen in der Welt auf dem neuesten Stand zu halten.
In Wahrheit allerdings desorientierte ihn, was er erfuhr, nicht im mindesten. Zu berichten gab es verschiedenerlei Dinge; neuerliche Verschiebungen in den Allianzen Lateinamerikas, wieder ein Ausbruch von verbotenem jehad im Jemen, ein neues Produkt, zu dem die Bundesdrogenbehörde ihre Bedenken äußerte, etwas, das man einen A-C-Gruppen-Granulator nannte und das Gemüse im Eiweißgehalt mit Fleisch vergleichbar machen sollte.
Doch das gewohnte Gesamtbild war unweigerlich bestehen geblieben. »Wie lange noch, o Herr?« murmelte er mit schiefem Grinsen in die Luft. »Wie lange noch?« Nach seiner insge-heimen Einschätzung: nicht allzu lange.
Und wie zur Bestätigung darauf knackten an der Tür die Schlösser. Er sah sich um, in der Erwartung, den bewaffneten Mann in Weiß zu sehen, der kam, um ihn wieder einmal irgendwohin zu geleiten. Zu seiner Überraschung war der Besucher jedoch Freeman. Und er kam allein. Er schloß sorgfältig die Tür, ehe er den Mund öffnete; und als er es tat, sprach er in vollkommen gleichmütigem Tonfall. »Wahrscheinlich haben Sie bemerkt, daß ich gestern abend die Belieferung Ihrer Unterkunft mit Getränken genehmigt habe. Ich benötige jetzt einen kräftigen Schluck. Am liebsten Whisky mit Eis.«
»Ich nehme an, Sie sind nicht hier?«
»Was? Ach so!« Freeman grinste greulich; seine Gesichtshaut spannte sich so straff über die Knochen, daß man meinte, sie müsse reißen. »Völlig richtig. Die Monitoren werden unterdessen mit einer Ladung absolut glaubhafter Fiktionen beschickt.«
»Dann. meinen Glückwunsch.«
»Was meinen Sie?«
»Das hat Ihrerseits jede Menge an Zivilcourage gebraucht. Den meisten Menschen fehlt der Mumm, um unmoralischer Befehlsgewalt Ungehorsam entgegenzusetzen.«
Langsam, im Verlauf mehrerer Sekunden, verwandelte sich Freemans Grinsen in ein Lächeln. »Gottverdammt, Haflinger«, sagte er, »oder wie Sie sich nennen mögen, ich habe wie ein Besessener darum gerungen, sachlich zu bleiben, aber ich habe es nicht geschafft. Irgendwie kann ich Sie gut leiden. Ich kann's nicht ändern.« Verdrossen trat er gegen die Sitzfläche eines Sessels, so daß derselbe sich drehte, und ließ sich hineinfallen.
»Verraten Sie mir eines«, sagte er etwas später über gefüllten Gläsern. »Welcher Reflex ist durch wen angesprochen worden, damit diese Reaktion entstand?«
Freeman bog den Kopf rückwärts. »Sie brauchen durchaus nicht über mich zu spotten. Sie können nicht das Verdienst für alles beanspruchen, was in meinem Kopf vorgegangen ist.«
»Wenigstens sprechen Sie von einem Verdienst, nicht von Schuld. Ich vermute, Sie haben erkannt, daß Sie die Leute verabscheuen, die Ihnen Ihre Befehle erteilen.«
»Äh. ja. Mein letzter Strohhalm ging mir flöten, als man sich dazu entschloß, Kate Lilleberg herzubringen. Sie hatten recht, es war nicht meine Idee. Also tat ich, was man mir sagte, nicht mehr und nicht weniger.«
»Und Hartz hat Sie angeschissen, weil Sie nicht gewitzter waren als er. Sehr ärgerlich, nicht wahr?«
»Schlimmer. Viel schlimmer.« Seine knochigen Finger ums Glas gekrampft, beugte sich Freeman vor; sein Blick schweifte ins Leere. »Über alle Meinungsverschiedenheiten steht für mich eines fest, daß wir nämlich unbedingt Weisheit brauchen. Verzweifelt benötigen. Ich habe eine Vorstellung davon, wie sie sich manifestieren könnte. Hartz nicht. Ich glaube, Sie haben auch eine. Und was Kate angeht.« Seine Stimme sank herab.
»Kate Lilleberg ist
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