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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Säugetieren beobachtet, wenn sie sich stärkeren Klauen oder Zähnen gegenübersehen.«
    »Oder einer dominanten Gestalt ihrer näheren Umwelt. So wie Bagheera, der sich wie ein Kätzchen auf dem Rücken herumwälzt, sobald ich von der Uni heimkomme. Ich hoffe, man versorgt ihn anständig.«
    »Es ist uns versprochen worden.«
    »Ja, aber. Na, macht nichts. Ich wollte nicht vom Thema ablenken.«
    »Ich stimmte im Prinzip nicht mit ihm überein, aber es war natürlich berechtigt, daß er mir entgegenhielt, das könne durchaus der Fall sein. Nun, und sollte es wahr sein, daß unsere Schwelle des Selbsterhaltungsstrebens so hoch gelagert ist, daß es der Gefahr einer vollständigen Ausrottung bedarf, um eine Stimmung der Versöhnlichkeit und Kompromißbereitschaft zu erzeugen, könnte es dann nicht noch weitere, gleichermaßen das Überleben fördernde Prozesse in uns geben, die ähnlich auf einer weit höheren Stimulationsebene auslösbar sind, als man sie bei unseren vierbeinigen Verwandten findet?«
    Auf ihrer Ranch im nördlichen Texas hatten Polit-Historiker Rush Compton und seine Frau Nerice, um einige Jahre jünger als er und auftragsweise als Marktforschungs-Expertin tätig, zwei Besucher zu Gast. Man machte beträchtlichen Gebrauch von ihrem Computer-Terminal, Heimgerät. Das Wetter war frisch und klar, durchsetzt mit jähen Böen eines scharfen, kalten Nordwinds.
    »Einen Moment mal. Diese Schwelle könnte bedrohlich hoch liegen. Denk an die Bevölkerung.«
    »Ja, gewiß, ich habe mit der Bevölkerung angefangen. Die Tatsache, daß sie sich in ihrer Fortpflanzung auf keine bestimmte Jahreszeit beschränkte, gehörte zu den Gründen, warum die Menschheit sich zum Herrscher dieses Planeten aufschwang. Dadurch vermehrten wir uns mit explosionsartiger Schnelligkeit. Nach Erreichen einer gewissen Stufe setzten dann restriktive Entwicklungen ein: die männliche Libido ist heute reduziert oder wird in nicht mit der Fortpflanzung verbundene Kanäle gelenkt, die weibliche Ovulation ist irregulär geworden und bleibt manchmal ganz aus. Aber schon lange vorher fanden wir die Gegenwart unserer Mitgeschöpfe so unerträglich, daß wir zu den Mitteln der Stammesfehden und Kriege griffen. Daß einer den anderen tötet oder wir uns selber umbringen.«
    »Also hat unser evolutionärer Vorteil sich in ein Handikap verwandelt.«
    »Kate, ich liebe dich.«
    »Ich weiß. Das freut mich.«
    In seinem abgelegenen Landhaus in Massachusetts hatten Richter i. R. Virgil Horovitz sowie seine Haushälterin Alice Bronson - er war Witwer - zwei Gäste zu Besuch, und allem Anschein zufolge benutzte er aus diesem Anlaß seinen Computer-Terminal, Heimgerät, zum erstenmal seit seiner Pensionierung. Ein Sturm hatte die Mehrzahl der Bäume rings um sein Haus ihres prachtvollen rotgoldenen Laubs beraubt; des Abends machte der Frost die gefallenen Blätter unter den Füßen knistern und knacken.
    »Aber was zum Teufel können wir denn eigentlich mit derartigen Erkenntnissen anfangen? Erkenntnisse sind schon genug gewonnen worden, von Gesellschaftstheoretikern, Historikern, Politikern und Predigern, und trotz allem sitzen wir in der Scheiße. Aber der Einfall, den gesamten Planeten in ein Irrenhaus zu verwandeln, in der Hoffnung, damit einen Arterhal-tungs-Reflex auszulösen. na, so etwas ist doch völlig ausgeschlossen. Einmal angenommen, in einer verfrühten Phase des Plans verliert eine Milliarde Menschen gleichzeitig den Verstand?«
    »Das ist das Beste, was sich erwarten läßt, und ich meine das Beste, vergleicht man es damit, was uns bevorsteht, sollten sich die Leute im Tarnover behaupten.«
    »Ich glaube, das ist wirklich dein Ernst!«
    »Oh, vielleicht wäre es keine Milliarde. Aber es könnte die halbe Bevölkerung Nordamerikas sein. Und hundert Millionen und noch ein paar sind genug, was?«
    »Wie könnte das denn geschehen?«
    »Zumindest theoretisch zählt zu den Kräften, die in uns wirken, die Fähigkeit, welche wir mit den Tieren nicht teilen: eine Wahl zu treffen, ob wir einem in uns verwurzelten Drang nachgeben oder nicht. Unsere Sozialgeschichte ist die Geschichte dessen, wie wir's lernten, unseren bloßen Instinkt durch bewußtes ethisches Verhalten zu ersetzen, stimmt's? Andererseits ist es eine Tatsache, daß nur wenige unter uns einzugestehen bereit sind, wie stark der Einfluß unseres Erbes aus der Wildheit noch immer auf unser Verhalten einwirkt. Nicht direkter Einfluß, denn wir sind ja nicht länger Wilde, jedoch

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