Der Schockwellenreiter
unserer Abteilung Vertragsrecht, Sie müssen sie unbedingt auf der Stelle kennenlernen, weil.« Aber irgendwie kam es, daß er sich nicht länger an Inas Seite befand, als sie den Raum durchquerte, um die Vorstellung abzuwickeln. Er lächelte Kate an, und das war nun wirklich lächerlich. Denn sie war nicht bloß keine Schönheit, sondern obendrein knochig - ja, verflucht, regelrecht dürr! Ihr Gesicht war zu kantig, alles zu scharf geschnitten: Nase, Kinn, Augenhöhlen. Und ihr Haar: zerzaust, ohne bestimmbare Farbe, irgendwie feldmausbraun. Doch sie musterte ihn mit einer Art von nachdenklichem Interesse, die er als fürchterlich besorgniserregend empfand. Das ist ja verrückt. Ich mag keine dünnen Frauen. Ich habe sie lieber griffig. So wie Ina zum Beispiel. Und das bleibt in allen meinen Versionen eine Tatsache .
»Sie sind also Sandy Locke.« Mit sonderbar rauher Stimme.
»Hm-mm. In Lebensgröße und noch mal soviel.« Es folgte eine Pause des gegenseitigen Abschätzens. Undeutlich bemerkte er, wie Ina, die sich inzwischen am anderen Ende der Räumlichkeit befand - und es war ein großer Raum - und nach allen Seiten starrte, um ihn wieder zu erspähen, reichlich verblüfft.
»Nein, größer und die Hälfte dazu«, lautete Kates unerklärliche Antwort; sie zog eine belustigte Miene, bei der sich ihre Nase rümpfte wie bei einem Kaninchen. »Ina gibt Ihnen übrigens gerade wilde Zeichen. Halten Sie lieber Anschluß. Ich habe hier eigentlich nichts zu suchen. ich hatte bloß heute abend nichts anderes vor. Aber auf einmal bin ich froh darüber, gekommen zu sein. Wir unterhalten uns später.«
»He, Sandy!« Laut durch die allgegenwärtige Beruhigungsmusik, schmeichlig wie das Dekor, um niemanden zu verstimmen. »Hier bin ich!«
Was zum Teufel war eben eigentlich geschehen? Die Frage ging ihm immer wieder durch den Kopf, selbst als >eben< schon um eine Stunde zurücklag, lenkte ihn wiederholt ohne Vorwarnung von der erforderlichen Darbietung von Interesse an den Angelegenheiten dieser seiner neuen Kollegen ab. Es kostete ihn erhebliche Mühe, ein hinreichendes Maß an Höflichkeit zu bewahren.
»Sagen Sie, ich habe gehört, Ihre Kleine muß zurechtgerückt werden, das arme Ding. Wie geht's ihr denn?«
»Wir können sie am Samstag abholen. Wie neu, ist uns gesagt worden, oder sogar besser.«
»Sie hätten sie früh genug bei der Anti-Trauma anmelden sollen, so wie wir unser Kind. Finden Sie nicht auch, Sandy?«
»Hmm? Ach, da fragen Sie den Falschen. Ich bleibe ein eisenharter Single, also ist das für mich ein toter Winkel.«
»Tatsächlich? Schade, ich wollte Sie gerade nach Ihrer Meinung über das paritätische Unterrichtssystem fragen. Sie wissen doch, wo die Schüler die eine und der Lehrkörper die andere Hälfte des Lernplans festlegen? Auf den ersten Blick ein anständiger Kompromiß. Aber manchmal denke ich mir.«
»In Trianon?«
»Nein. Die Zukunft heute zu leben versuchen, das heißt doch, sich auf die wirkliche Zukunft falsch vorzubereiten.«
».würde nie ein Zweithand-Haus übernehmen. Es macht viel zu große Umstände, die Automaten neu zu programmieren. Das führt zum raschen Ende einer Bekanntschaft, wenn man jemanden einlädt und so eine blödsinnige Maschine netzt ihn durch ein Mißverständnis schon an der Einfahrt ein.«
»Meine Installationen lassen sich ganz einfach durch den Code des jeweiligen Keilers auf den neuesten Stand bringen. Obwohl ich nicht gerade in Trianon wohne. Sandy hier ist auch so ein gewitzter Fürchtenichts. würde wetten, er steht ebenfalls jederzeit auf dieser Art von kleinen hausgemachten Tricks, hm?«
»Gegenwärtig bin ich Zwischenhäusler, liebe Leute. Vielleicht lasse ich mich das nächstemal in Ihrer Gegend nieder. Kann aber auch sein, daß ich schnurstracks dahin zurückkehre, wo ich zuletzt war. Ich habe noch Geschmack daran.«
»Sind Sie als Teenager in einer Rotte gewesen, Sandy? Hmm? Mein Sohn möchte bei den Assagais eintreten! Klar, die kennen noch Solidarität, und die Moral ist großartig, aber. äh.«
»Hohe Ausfallziffern? Ja, so etwas ist mir auch zu Ohren gekommen. Seit sie vom Baron-Samedi-Club zu Kali-Verehrern geworden sind. Ich versuche dauernd, Donna für die Reichsadler zu erwärmen. Ich meine, wohin sollte das führen, ein Kind aus einer Mischehe in einen Verein zu stecken, wo sie womöglich einen Schwur ablegen muß, jeden Weißen zu verrotten, von dem's ihr Häuptling gerade möchte?«
»Reichsadler? Aussichtslos. Dort werden
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