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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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hat. Es war das Gefühl, jede Berührung mit der Welt zu verlieren. Sie legten darauf Wert, Datenmaterial von Leuten vermittelt zu bekommen, die fünfzehn oder zwanzig Jahre jünger waren, im wesentlichen deshalb, weil sie für ihre Kinder getan hatten, was sie für das Beste hielten, und gedankt worden war ihnen das mit Ablehnung und Kränkungen. Sie waren bemitleidenswert. Was sie wollten, war gar nicht das, was zu wollen sie behaupteten. Sie wünschten zu hören, ja, die Welt ist im großen und ganzen noch so wie damals in ihrer Jugend, es existieren keine objektiv vorhandenen Unterschiede, es gibt einen Zauberspruch, den man aufsagen kann, und schon wird sich das verrückte, überanstrengende Blendwerk der modernen Welt auflösen und zu einem unerschütterlichen, wohlvertrauten Gebilde gesundschrumpfen. Nachdem aber dann über meine Bänder die dritte Beschwerde eingereicht worden war, flog ich raus, obwohl ich unanfechtbar beweisen konnte, daß ich recht hatte. Aber recht zu haben, das war in diesem Kontext ja auch ein Fehler.«
    »Und danach versuchten Sie Ihr Glück als erwerbsmäßiger Delphi-Hasardeur.«
    »Und machte in Nullkommanichts ein Vermögen und langweilte mich ungeheuer. Ich tat nichts, was nicht jeder andere auch tun könnte, sobald er erst einmal erkannt hat, daß die Regierung die Delphi-Wetten manipuliert, um den Sozialfrieden-Index auf der Höhe zu halten.«
    »Vorausgesetzt, er hat Zugang zu soviel Computerkapazität, wie Sie ihn hatten.«
    »Theoretisch hat ihn jeder, solange er einen Dollar besitzt, um ihn in einen Kommunikator zu werfen.«
    Ein kurzes Schweigen ergab sich. »Hatten Sie ein klar umrissenes Ziel im Sinn«, nahm dann Freeman in brüchigem Tonfall die Unterhaltung wieder auf, »von dem Sie sich bei der Auswahl Ihrer Rollen leiten ließen?«
    »Haben Sie das nicht schon längst aus mir rausgeholt?«
    »Doch, aber in regressivem Zustand. Ich möchte aber vergleichsweise Ihre bewußte Darstellung hören.«
    »Es bleibt trotzdem das gleiche. Ich habe nie eine bessere Formulierung dafür gefunden. Ich habe nach dem richtigen Ort gesucht, von dem aus ich die Welt aus den Angeln heben könnte.«
    »Haben Sie jemals erwogen, nach Übersee zu gehen?«
    »Nein. Ich habe mir sofort gedacht, daß für einen Reisepaß auch ein 4GH nicht von Nutzen ist. Diese richtige Stelle hätte sich also schon innerhalb Nordamerikas finden lassen müssen.«
    »Aha, ich verstehe. Diese Erwartung wirft natürlich ein viel klareres Licht auf Ihre nächste Laufbahn. Sie haben ein Jahr lang für eine Konsultations-Firma als Utopia-Designer gearbeitet.«
    »Ja. Das war naiv von mir. Aber ich habe so lange gebraucht, bis ich einsah, daß bloß die ganz Reichen und die ganz Dummen glauben, man könne sich das Glück auf den Leib schneidern. Was noch schlimmer ist, ich hätte sofort merken müssen, daß es zur Verkaufspolitik der Firma gehörte, vom einen zum anderen Projekt maximal zu variieren. Ich habe drei sehr interessante geschlossene Gemeinschaften entworfen, und als ich zuletzt von ihnen hörte, befanden sich tatsächlich noch alle drei in Gang. Aber der Versuch, ins nächste Mini-Utopia einzubauen, was sich beim vorherigen als am vielversprechendsten gezeigt hatte, verhalf mir dann wieder zur >Freisetzung<. Wissen Sie, manchmal frage ich mich, was aus den hypothetischen Lebensstil-Labors des vergangenen Jahrhunderts geworden ist, in denen man ernsthafte Anstrengungen unternahm, um zu erforschen, wie Menschen am besten zusammenleben können.«
    »Nun, es gibt ja heute die Simulations-Citys, ganz zu schweigen von den Pauschalzonen.«
    »Sicherlich, und es gibt solche Orte wie Trianon, wo man einen Vorgeschmack aufs Morgen erhält. Aber erzählen Sie mir keinen Scheiß. Trianon könnte nicht existieren, pumpte nicht die IIA pro Jahr eine Milliarde Dollar hinein. Simulations-Citys sind bloß für die Kinder der Reichen - es kostet ja nahezu soviel, die Bälger für ein Jahr in die Vergangenheit zurückzuschicken wie der Aufenthalt am Amherst oder Bennington. Und die Pauschalzonen sind doch lediglich ausgebrütet worden, um nach dem Großen Bay-Beben auf Kosten der Allgemeinheit Einsparungen zu machen. Es war schlichtweg billiger, die Geschädigten mit Pauschalzahlungen abzuspeisen und sie dadurch vom Gedanken an neuwertigen, zeitgemäßen Ersatz abzubringen. So etwas hätten sie sich ja ohnehin nicht leisten können.«
    »Vielleicht ist die Menschheit anpassungsfähiger, als man immer glaubte. Vielleicht

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