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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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jetzt Kinder schon bei der Geburt eingeschrieben. Machen Sie irgendeine hübsch bescheidene Rotte ausfindig, die sich Sankt Nikolaus zum Vorbild genommen hat. In so einem Fall sind auch die Lebensversicherungsbeiträge niedriger, das darf man nicht übersehen.«
    Und so weiter.
    Aber in Abständen von solcher Regelmäßigkeit, daß es ihn erschreckte, stellte er fest, daß sein Blick über die Schulter seines jeweiligen wichtigen Gesprächspartners, mit dem er gerade unwichtiges Zeug beplauderte, abwanderte und auf dem unordentlichen Haar oder dem spitzen Profil von Inas Tochter verweilte. Warum? »Anscheinend fasziniert dich Kate, Sandy«, sagte Ina schließlich in säuerlichem Tonfall zu ihm.
    Mesmerisiert wäre vielleicht die bessere Bezeichnung dafür. »In dieser Hinsicht ist sie nach dir geraten«, antwortete er unbekümmert. »Aber hauptsächlich wundert's mich, daß sie hier ist. Ich dachte, dies wäre eine rein innerbetriebliche Party.«
    Diese Entgegnung überzeugte; das Mädchen glich in diesem ansonsten völlig einschätzbarem Milieu einem Störfaktor. Ina war besänftigt. »Hätte ich mir denken sollen. Müßte mich wohl entschuldigen. Aber sie kennt viele vom Personal, und sie rief mich heute an und fragte, ob ich mir für den Abend was vorgenommen hätte oder ob sie zum Essen kommen könne, also erzählte ich ihr von dieser Party und sagte ihr, sie könne mich begleiten.«
    »Also arbeitet sie nicht für die Firma. Vielleicht habe ich's gespürt. Was fängt sie mit ihrem Leben an?«
    »Nichts.«
    »Was?«
    »Ach, nichts, was der Rede wert wäre. Im kommenden Herbst will sie noch einen Studienkurs an der Uni belegen. Und wieder hier in KC. Und dabei ist sie zweiundzwanzig, verdammt nochmal!« Letzteres mit verminderter Lautstärke; aber Sandy kannte jene verhängnisvolle Zahl schon, folglich drohte kein zusätzlicher Schaden. »Ich könnte es begreifen, wenn sie in Australien studieren wollte, oder wenigstens Europa, aber. Und sie schiebt alles auf die Katze von ihrem Vater!« In diesem Moment sah sie, wie Rico Posta ihr zuwinkte, damit sie auf ein Wort zu ihm und Dolores van Bright komme, und sie entfernte sich mit einer gemurmelten Entschuldigung. Einige Sekunden später, als er noch überlegte, ob er erneut die Automatik-Bar beanspruchen solle, stand Kate an seiner Seite. Im Raum herrschte nun ziemliches Gedränge - über fünfzig Gäste waren anwesend -, und als er sie zuletzt sah, hatte sie sich auf der anderen Seite aufgehalten. Daraus ergab sich, daß sie ihn ebenso scharfäugig beobachtet hatte wie Vivienne. (Nein, letzteres war nicht länger der Fall, hurra! Die Abt. Mentalhygiene machte Pause.) Was soll ich tun - mich verdrücken?
    »Wie lange werden Sie in KC bleiben?« wollte Kate wissen.
    »Wie üblich. So lange wie die IIA und ich es miteinander vereinbaren.«
    »Sie behaupten, Sie wären so ein Umstöpsel-Typ?«
    »Umstöpseln oder abkratzen«, sagte er und versuchte, diesem klischeehaften Ausspruch den Klang dessen zu verleihen, was er war: ein schnippischer Ersatz für eine vernünftige Antwort.
    »Sie sind der erste Mensch, dem ich begegne, der das sagen kann, als wäre es wahr«, meinte Kate gedämpft. Der eindringliche Blick ihrer dunkelbraunen Augen blieb unablässig auf seinem Gesicht haften. »In dem Moment, als Sie hereinkamen, wußte ich sofort, Sie sind ungewöhnlich. Woher kommen Sie?« Er zögerte. »Oh, ich weiß, es ist unhöflich, in anderer Leute Vergangenheit herumzubohren«, fügte sie hinzu. »Ina macht mich ständig darauf aufmerksam, seit ich laufen kann. So ähnlich wie die Hinweise: Starre niemand an. Zeige nicht mit dem Finger. Verkneif dir persönliche Bemerkungen. Aber Menschen haben eine Vergangenheit, und die ist in Canaveral gespeichert, und warum sollen also nur Maschinen wissen, was Freunde nicht wissen?«
    »Freundschaften sind außer Mode geraten«, erwiderte er, viel schroffer als beabsichtigt - doch wie lange war es her, daß ihn zuletzt jemand so außer Fassung gebracht hatte? Selbst als er Fluckner jenen Fluch entgegenschleuderte - es schien ihm, als läge diese Begegnung schon ewig lange zurück -, war er weniger aufgewühlt gewesen als während dieser beiläufigen Party-Plauderei. Warum? Warum nur?
    »Das heißt allerdings nicht, daß es keine gibt«, sagte Kate. »Sie könnten ein wertvoller Freund sein. Ich spüre es. Das erhebt Sie zur Ausnahme.«
    Plötzlich erkannte er eine bestimmte Möglichkeit. Es mochte sein, daß dies schlichte, dünne,

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