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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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und in eine Angstneurose verfallen. Bekannte und Nachbarn scharen sich um sie, um ihnen zu helfen, sie erzählen ihnen von den Wundern der heutigen Welt und geben Ratschläge, dann gehen sie wieder und fühlen sich rechtschaffen. Aber wenn sie diesen Aufwand am folgenden Tag wiederholen müssen, und am übernächsten Tag, und auch am Tag danach.? Ja, vom Stadium der Gönnerhaftigkeit zum Stadium der Verfolgung war's schon immer nur ein kleiner Schritt.«
    »Aber es ist doch ganz leicht«, sagte Freeman nach einem Weilchen, »die Ansichten, die ich wirklich vertrete, zu untermauern, sie von jenen verzerrten Darstellungen zu unterscheiden, die Sie äußern. Die Menschheit ist aus einer nomadischen Spezies entstanden, sie folgte den Wildherden, zog später mit dem Vieh im Wechsel der Jahreszeiten von einer zur anderen Weide. Eine Mobilität gleicher Größenordnung ist in unsere heutige Kultur reintegriert worden, zumindest bei den reichen Nationen. Aber natürlich hat es seine Vorteile, innerhalb einer urbanen Gesellschaft zu leben, einfachere Kommunikation, erschwinglich preiswerte Beförderungsmittel, sanitäre Anlagen. Und dank unseres Erfindungsreichtums hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Computern haben wir diese Annehmlichkeiten nicht opfern müssen.«
    »Ebenso ließe sich behaupten, daß die Gezeiten, wenn sie an einem Strand die Kieselsteine rundum glätten, den Kieselsteinen eine Gefälligkeit erweisen, weil rund schöner ist als kantig. Einem Kieselstein ist es gleichgültig, in welchem Zustand er sich befindet. Aber einem Menschen ist es sehr wichtig. Und jeder Wechsel Ihrer Gezeiten vermindert die Vielfalt des Formenreichtums, zu denen ein Mensch sich entwickeln kann.«
    »Ihre großartigen Metaphern machen Ihnen alle Ehre«, sagte Freeman. »Aber ich stelle in Übereinstimmung mit meinen Monitoren fest, daß Sie sich darum so anstrengen müssen, wie jemand auf einer Party, der verzweifelt vorzugeben versucht, er sei gar nicht so volltrunken, wie er es ist. Die heutige Sitzung ist in ein paar Minuten sowieso zu Ende. Ich kürze sie lieber ab und setze die Vernehmung morgen früh fort.«
Die richtige Sache aus dem falschen Grund
    Das Erlebnis verlief genau so, als ob ein Autofahrer inmitten der Fahrt, wenn er voraus eine Strecke schlechter Straße mit jeder Menge Schlaglöcher sieht, voll aufs Gas tritt, statt die Geschwindigkeit herabzusetzen. Ein Dröhnen wurde laut, und an beiden Seiten ließen sich bestimmte Merkpunkte erkennen, aber im wesentlichen verhielt es sich so: dann dort sein und anschließend hier . Die Zeitwahrnehmung beschrankte sich auf ein Maß, das dem Zeitraum entsprach, welchen ein Beifahrer für die Einsicht gebraucht hätte, daß er auf einem so scheußlich holprigen Stück Straße nicht so schnell fahren würde -und um sich zu fragen, warum eigentlich nicht, da sie dabei doch prachtvoll vorankamen. Dann verharrte urplötzlich alles.
    »Zum Teufel, wohin haben Sie mich gebracht?« Er schaute umher und befand sich in einem Zimmer mit rauhen braunen Wänden, einem altmodischen Bett mit Sprungfedermatratze, einem Teppich auf dem Fußboden, der nicht einmal zum Rest paßte, und dem Ausblick durch breite, glatte Fenster auf einen Sonnenuntergang, der ihn zeitweilig ablenkte, ehe er andere Gegenstände wie Stühle und einen Tisch und dergleichen erkannte. Sie machten auf ihn den Eindruck, als gehörten sie in jene Art von Ramschladen, deren Inhaber alles als ANTIK ausgaben, was älter war als sie selbst.
    »Sie armer Fürchtenichts«, sagte Kate. Sie war auch in dem Zimmer. »Das ist ja ein höllisch schlimmer Fall. Ich habe Sie gefragt, ob Sie's für eine gute Idee halten, nach Gottbewahre zu gehen. Ja, sagten Sie.«
    Er nahm auf einem Stuhl Platz, der wie durch einen glücklichen Zufall gerade in seiner Reichweite stand. Er preßte die Hände um seine überkreuzten Arme, bis die Knöchel an den Handgelenken weiß hervortraten. »Dann war ich eben nicht bei Verstand«, sagte er mit beträchtlicher Mühe. »Vor langem schon habe ich daran gedacht, eine derartige Ortschaft aufzusuchen, und begriffen, daß man auf jeden Fall daran denken würde, in solchen Gegenden zuerst nachzuforschen.«
    Theoretisch gab es für jedermann, der eine vorherige Identität aus der Welt zu schaffen beabsichtigte, zum Rückzug keinen geeigneteren Ort auf dem Kontinent als diesen oder eine der anderen Siedlungen, die nach dem Großen Bay-Beben Flüchtlinge aus dem nördlichen Kalifornien gegründet hatten.

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