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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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göttliche Kräfte beschwören, die ja keinen menschlichen Grenzen unterworfen sind. Sie legen zur Progression Lippenbekenntnisse ab, aber anerkennen wollen Sie sie nicht. Im Gegenteil, Sie zappeln sich ab, um ihren Fluß lenken zu können. Aber das geht nur, wenn man sich außerhalb befindet.«
    »Hm. Sie sind ein Atavismus, stimmt's? Sie haben das Zeug zu einem Schulmeister. Aber das bewahrt Sie nicht vor Irrtü-mern. Wir versuchen den Strom keineswegs zu verlassen, weil wir die Natur des Fortschritts erkannt und seine Unausweich-lichkeit eingesehen haben. Das Günstigste, worauf man hoffen kann, ist die Möglichkeit, ihn in die erträglichsten Kanäle leiten zu können. Was wir hier im Tarnover tun, ist wahrscheinlich der wertvollste Dienst, den eine kleinere Gruppe von Menschen jemals der Menschheit als Ganzes erwiesen hat. Wir diagnostizieren unsere sozialen Probleme und machen uns dann mit klarem Kopf daran, die Personen zu schaffen, die sie zu lösen vermögen.«
    »Und wie viele Probleme sind denn bis heute gelöst worden?«
    »Bis jetzt haben wir uns immerhin noch nicht selbst ausgerottet.«
    »Das nehmen Sie für sich als Verdienst in Anspruch?! Ich wußte ja, daß Sie kaltschnäuzig sind, aber das ist nun wirklich fantastisch! Man könnte ebensogut behaupten, im Falle der Menschheit hätte es des Aufkommens der Atomwaffen bedurft, um die Lebensrettungsreaktion auszulösen, welche die meisten Spezies zeigen, wenn sie sich den Zähnen und Klauen eines stärkeren Widersachers gegenübersehen.«
    »Das könnte auch recht gut wahr sein.«
    »Glaubten Sie das, Sie gäben sich nicht soviel Mühe, um die Neue Konformität zum Allgemeingut zu machen.«
    »Haben Sie diese Bezeichnung selbst geprägt?«
    »Nein, von jemandem ausgeliehen, dessen Schriften im Tarnover nicht besonders beliebt sind: Angus Porter.«
    »Tscha, es ist ein klangvoller Ausdruck. Aber bedeutet er irgend etwas?«
    »Auf eine so dumme Frage würde ich mir eine Erwiderung sparen, wäre es nicht besser, sich in der Gegenwart zu unterhalten, statt im eigenen Hinterkopf herumzuhocken, während Sie mein Gedächtnis aushorchen. denn Sie wissen verdammt gut, was er besagt. Schauen Sie nur sich selbst an. Sie sind ein Teil davon. Es ist bereits ein Jahrhundert alt. Es fing an, als zum erstenmal Leute in einem reichen Land andere Kulturen auf ihren eigenen kleinsten gemeinsamen Nenner zusammenzustutzen begannen, Leute mit Geld genug zum Ausgeben, die sich jedoch vor ausländischen Speisen fürchteten und vom Wirt Hamburger servieren ließen statt Enchiladas, Brathähnchen mit Pommes frites statt Kuskus, die sich daheim etwas Nettes an die Wand hängten und nicht etwas, in das ein heimischer Künstler sein Herz und seine Seele hatte einfließen lassen, die es zu heiß in Rio fanden und zu kalt in Zermatt, aber darauf bestanden, sich trotzdem dort herumzutreiben.«
    »Was haben wir damit zu schaffen, wie sich die Menschen benahmen, lange bevor man das Tarnover gegründet hat?« Freeman schüttelte den Kopf. »Ich bin noch immer nicht überzeugt.«
    »Aber das ist die Auffassung, in der Sie hier Ihre Wurzeln haben, an die Sie sich klammern. Sie sind geradewegs in eine Falle gelaufen, aus der es keinen Ausweg gibt. Sie wollten ein generelles Modell der Menschheit entwickeln, und am bequemsten war es so: Insgesamt generalisierter als die europäischen Monarchien vorm Ersten Weltkrieg, die Tatsache nicht achtend, daß sie in Wirklichkeit kosmopolitisch waren, und zugleich homogener als die archetypische Bauernkultur, die universal ist, gleichzeitig aber individualistisch. Was bei Ihren Bemühungen herauskam, ist ein Schema, wonach jene Menschen, die den uralten evolutionären Grundsätzen folgen, von denen Sie so großzügig verbalen Gebrauch machen - zum Beispiel, indem Sie sich einmal an einem Ort niederlassen und dort Ihr Leben lang bleiben -, von ihren Mitbürgern als >komi-sche Käuze< abgetan werden. Es kann nicht lange dauern, bis Sie Verfolgungen ausgesetzt sind. Und wie gedenken Sie dann Ihre Behauptung zu rechtfertigen, daß die Uberlieferungen der Gene mehr Gewicht besäßen als die bewußt verfügte Veränderung zum Moderneren?«
    »Reden Sie von den sogenannten Ökonomisten, die nicht die Hilfsmittel nutzen möchten, welche unsere Technologie bietet? Das sind bloß Dussel. Sie ziehen die Kümmerlichkeit vor.«
    »Nein, ich spreche von jenen Menschen, die von einem solchen Ubermaß an Opportunismus umgeben sind, daß sie aus dem Häuschen geraten

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