Der Schoenste Fehler Meines Lebens
wachte er viel zu früh auf, hatte einen Kater und fühlte sich elend. Kalter, dicker Nebel hatte die Stadt fest im Griff, aber er lief dennoch durch die leeren Straßen und kletterte hinauf zum Gipfel des Telegraph Hill.
Der Coit Tower hatte noch nicht geöffnet, also spazierte er übers Gelände und ließ, als der Nebel sich zu lichten begann, seinen Blick über die Stadt und die Bucht schweifen. Wie gern hätte er den ganzen Schlamassel mit Lucy besprochen, doch er konnte sie wohl kaum nach so langer Zeit anrufen und ihr erzählen, dass ihre beste Freundin eine unreife, fordernde, zu sehr von ihren Gefühlen beherrschte, unvernünftige Verrückte war, um sie dann zu fragen, wie er damit umgehen sollte?
Er vermisste Lucy. Mit ihr war alles so einfach gewesen.
Er vermisste sie … aber er verspürte nicht den Wunsch, ihr den Hals umzudrehen, wie er das bei Meg gern getan hätte. Wollte das Liebesspiel mit ihr nicht so lange ausdehnen, bis ihre Augen sich verschleierten. Sehnte sich nicht nach dem Klang ihrer Stimme, ihrem fröhlichen Lachen.
Er verzehrte sich nicht nach Lucy. Träumte nicht von ihr. Sehnte sich nicht nach ihr.
Er liebte sie nicht.
Eine eisige Bö raschelte in den Blättern, und der Wind trug den Nebel hinaus aufs Meer.
Kapitel 23
Wenige Stunden später fuhr Ted in einem gemieteten Chevy TrailBlazer auf der Interstate 5 Richtung Süden. Er fuhr zu schnell und machte nur einmal Pause, um eine Tasse starken Kaffee zu trinken. Insgeheim betete er, Meg möge nach Los Angeles zu ihren Eltern zurückgegangen sein, nachdem sie Wynette verlassen hatte, und nicht mit Ziel Jaipur oder Ulan Bator oder einem Ort aufgebrochen sein, wo er sie nicht finden und ihr sagen konnte, wie sehr er sie liebte. Der Wind hatte nicht nur den Nebel über San Francisco vertrieben, sondern auch seinen Gefühlswirrwarr. Nun sah er ganz klar den ganzen Wirbel um seine Exverlobte und die geplatzte Hochzeit, so deutlich, dass er erkannte, wie geschickt er seine Vernunft eingesetzt hatte, um seine Angst vor unkontrollierbaren Emotionen als Störfaktoren seines unbeschwerten Lebens zu verstecken.
Hätte nicht er vor allen anderen wissen müssen, dass die Liebe keinen Regeln folgte? Hatte nicht die leidenschaftliche, jeder Logik widersprechende Liebesaffäre seiner Eltern Täuschung, Trennung und Sturheit seit nunmehr drei Jahrzehnten überdauert? Es war diese aus tiefstem Herzen kommende Liebe, die er für Meg empfand – die komplizierte, zerstörerische, überwältigende Liebe, die, wie er sich einzugestehen geweigert hatte, in seiner Beziehung zu Lucy fehlte. Vom Verstand her hatten Lucy und er vortrefflich zueinandergepasst. Vom Verstand her … aber nicht vom Gefühl her. Und das hätte er schon sehr viel eher erkennen müssen.
Frustriert biss er die Zähne zusammen, als er sich in den Verkehr von Los Angeles einfädelte. Meg war leidenschaftlich und impulsiv, und er hatte sie seit über einem Monat nicht gesehen. Und wenn sie nun durch den zeitlichen und räumlichen Abstand zu der Überzeugung gelangt war, dass sie etwas Besseres verdiente als einen sturen Texaner, der sich selbst fremd war?
Nein, in diese Richtung durfte er seine Gedanken nicht abschweifen lassen. Bloß nicht darüber nachdenken, was er tun würde, wenn sie sich inzwischen von der Idee, jemals in ihn verliebt gewesen zu sein, verabschiedet hatte. Hätte sie doch bloß nicht ihr Telefon abgestellt. Und was war mit ihrem Hang, ins nächste Flugzeug zu steigen und in die entferntesten Regionen des Planeten zu reisen? Sie sollte an Ort und Stelle bleiben, aber dafür war Meg nicht geschaffen.
Als er das Anwesen der Korandas in Brentwood erreichte, war es fast Abend. Er fragte sich, ob sie wussten, warum Meg in San Francisco nicht aufgetaucht war. Er war sich zwar nicht sicher, ob sie tatsächlich diejenigen waren, die das letzte Gebot abgegeben hatten, doch wer sonst sollte es gewesen sein? Seine Unsicherheit passte so gar nicht zu dem, womit er üblicherweise bei den Eltern von Töchtern punkten konnte, die seine Ausgeglichenheit zu schätzen wussten, von der er noch nie so weit entfernt gewesen war wie jetzt.
Er stellte sich über die Gegensprechanlage vor. Als die Tore aufschwangen, fiel ihm ein, dass er sich seit zwei Tagen nicht mehr rasiert hatte. Besser, er wäre zuerst in ein Hotel gefahren, um sich frisch zu machen. Seine Kleider waren zerknautscht, seine Augäpfel rot unterlaufen, und Angstschweiß klebte ihm am ganzen Körper, aber er würde
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