Der Schoepfer
Hosen Gefängnishosen sind.«
»Vielleicht bin ich Golfspieler.«
»Und die Jacke ist Ihnen viel zu groß. Als hätten Sie die von Ihrem Daddy an.«
Mr Lyss blieb stehen, drehte sich zu Nummy um, packte ihn am linken Ohr, knickte es um und zog ihn – »Aua, aua, aua, aua … « – von der Straße auf einen schmalen Gehweg zwischen zwei Gebäuden. Dort ließ er Nummys Ohr los, stieß ihn gegen eine Mauer, und Nummy spürte die kalten Backsteine an seinem Rücken. »Deine Großmama ist tot und anständig begraben, richtig?«
Nummy musste sich anstrengen, um höflich zu bleiben und nicht zu würgen, als ihm Mr Lyss’ Gestank in die Nase drang. »Ja, Sir«, sagte er. »Sie war anständig, und jetzt ist sie tot und begraben.«
»Du hast deine eigene Bleibe und weißt, wohin du gehörst?«
»Ich kenne meinen Platz. Ich weiß, wohin ich gehöre. Und da bleibe ich auch.«
»Ich frage dich, ob du in einem Haus lebst, in einer Wohnung, in einem alten Ölfass oder wo zum Teufel.«
»Ich wohne in Großmamas Haus.«
Mr Lyss warf nervöse Blicke nach links und nach rechts. Sein Gesicht sah jetzt nicht mehr nach dem eines aasfressenden Vogels aus, sondern eher nach dem einer verschlagenen Ratte. Er krallte alle Finger seiner Hand in Nummys Sweatshirt und sagte: »Du lebst dort allein?«
»Ja, Sir. Ich und Norman.«
»Heißt du nicht Norman?«
»Aber die Leute nennen mich Nummy.«
»Dann lebst du also allein dort?«
»Ja, Sir. Nur ich und Norman.«
»Norman und Norman.«
»Ja, Sir. Aber ihn nennen die Leute nicht Nummy.«
Mr Lyss ließ das Sweatshirt los und kniff Nummy wieder ins Ohr. Diesmal drehte er es nicht um, aber er schien es ihm anzudrohen. »Du gehst mir auf die Nerven, Schwachkopf. In welcher Beziehung steht dieser Norman zu dir?«
»Seine Beziehung zu mir ist, dass er mein Hund ist, Sir.«
»Du hast deinen Hund Norman genannt. Vermutlich ist das immerhin eine Spur besser, als ihn ›Hund‹ zu nennen. Ist er freundlich?«
»Sir, Norman ist der freundlichste Hund aller Zeiten.«
»Das kann ich ihm nur raten.«
»Norman beißt nicht. Er bellt noch nicht mal, aber Norman, der kann irgendwie reden.«
Der alte Mann ließ Nummys Ohr los. »Von mir aus kann er singen und tanzen, vorausgesetzt, er beißt nicht. Wie weit ist es zu deinem Haus?«
»Norman, der singt nicht. Und er tanzt auch nicht. Ich habe nie einen Hund gesehen, der das tut. Das würde ich mir aber gern mal ansehen. Wissen Sie, wo ich mir das ansehen könnte?«
Jetzt sah Mr Lyss weder wie ein aasfressender Vogel noch wie eine Ratte noch wie ein wilder Affe aus, sondern eher wie eine Dschungelschlange mit scharfen Augen. Wenn man genug Zeit mit ihm verbrachte, hatte Mr Lyss einen ganzen Zoo von Gesichtern.
Er sagte: »Wenn du nicht willst, dass ich dir dieses Werkzeug zum Schlösserknacken in die Nase stecke und dein verschrumpeltes Gehirn aus deinen Nasenlöchern rausziehe, dann sagst du mir jetzt, verdammt noch mal, wie weit es zu deinem Haus ist.«
»Nicht weit.«
»Können wir es auf Seitenstraßen und Schleichwegen erreichen, damit wir nicht allzu vielen Leuten begegnen?«
»Sie mögen andere Leute nicht besonders, stimmt’s, Mr Lyss?«
»Ich verachte die Menschen, ich kann sie nicht ausstehen, ich hasse sie wie die Pest – vor allem, wenn ich in einer orangefarbenen Gefängnishose rumlaufe.«
»Ach so. Das Orange hatte ich ganz vergessen. Tja, also der kürzeste Weg führt durch das Rohr, da werden wir wohl kaum jemanden zu sehen bekommen.«
»Das Rohr? Welches Rohr?«
»Das große Abflussrohr für Unwetter. Bei Regen kann man nicht durch das Rohr laufen, weil man ertrinken würde, und dann würde man sich wünschen, man hätte den weiten Weg genommen.«
22.
Als sie erfuhr, dass Deucalion das Studierzimmer betreten hatte, ohne zu läuten oder die Haustür zu benutzen, und als ihr klar wurde, dass Mary Margaret Dolan nichts von seiner Anwesenheit wusste, schloss Carson die Tür zum Flur. Trotz der Dolan-Tochter, die einen Strafzettel bekommen hatte, weil sie allein eine Fahrspur benutzt hatte, die ausdrücklich Fahrzeugen mit mehreren Insassen vorbehalten war, wollte Carson Mary Margaret nicht verlieren. Sie hatte zwar den Verdacht, nicht einmal Dr. Frankensteins erstes Geschöpf würde das unerschütterliche Kindermädchen aus der Fassung bringen, doch sie zog es vor, das Risiko einer Kündigung zu vermeiden.
Michael hatte ohne zu zögern die Arme ausgestreckt und Scout dem Riesen gereicht, der jetzt dastand und die
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