Der Schoepfer
jetzt?«
»Du steckst in der Speisekammer. Die braucht kein Schloss. Sie hatte nie ein Schlüsselloch.«
»Sie hatte ein Schlüsselloch«, beharrte Jocko.
»Nein, Kleiner. Sie hatte nie eines.«
»Ohne Schlüsselloch würde Jocko ersticken. Ist Jocko erstickt?« Seine Stimme bebte. »Ist Jocko tot? Ist er tot? Ist Jocko in der Hölle? «
»Du musst auf mich hören, mein Liebling, du musst mir ganz genau zuhören.«
»Jocko ist in der Hölle«, schluchzte er.
»Hole tief Atem.«
»Jocko vermodert in der Hölle.«
»Kannst du tief Atem holen? Ganz tief durchatmen? Tu es für mich, Liebling. Mach schon.«
Durch die Tür hörte sie ihn tief atmen.
»Sehr gut. Braver Junge.«
»Jocko ist tot und in der Hölle«, sagte er kläglich, aber mit weniger Panik in der Stimme.
»Hole noch einmal tief Luft, mein Schatz.« Nachdem er dreimal tief durchgeatmet hatte, sagte sie: »Und jetzt sieh dich um. Siehst du Makkaroni-Päckchen? Spaghetti? Plätzchen?«
»Hm … Makkaroni … Spaghetti … Plätzchen. Ja.«
»Glaubst du, dass es in der Hölle Makkaroni, Spaghetti und Plätzchen gibt?«
»Vielleicht.«
Sie änderte ihre Taktik. »Es tut mir leid, Jocko. Ich entschuldige mich. Ich hätte dich anrufen sollen. Ich habe nur nicht gemerkt, wie viel Zeit vergangen ist.«
»Drei Dosen Limabohnen«, sagte Jocko. »Drei große Dosen.«
»Das beweist nicht, dass du in der Hölle bist.«
»Doch, das tut es. Es ist ein Beweis.«
»Ich mag Limabohnen – erinnerst du dich noch? Deshalb siehst du dort drei Dosen. Nicht, weil du in der Hölle bist. Weißt du, was ich außer Limabohnen noch mag? Zimtbrötchen aus Jim James’ Bäckerei. Und von denen habe ich gerade ein Dutzend in einer Schachtel auf den Küchentisch gestellt.«
Jocko schwieg. Dann öffnete sich die Tür einen Spalt, und als Erika zurücktrat, wurde die Tür weit aufgerissen, und das kleine Kerlchen schaute hinaus.
Da sein Hintern beinah flach war, trug Jocko Bluejeans, die Erika für ihn geändert hatte, damit sie nicht herunterrutschten. Auf seinem T-Shirt war ein Foto von Buster Steelhammer, einem der derzeitigen Weltstars unter den Catchern. Da seine Arme sieben oder acht Zentimeter länger waren als die irgendeines Kindes in seinem Alter, da sie dünn waren und da sie gespenstischer aussahen, als es eine liebende Mutter öffentlich zugeben würde, hatte Erika die Ärmel bis zu seinen Händen verlängert.
Er blinzelte sie an. »Du bist es.«
»Ja«, sagte sie, »ich bin es.«
»Jocko ist nicht tot.«
»Nein, wirklich nicht.«
»Ich dachte, du wärst tot.«
»Ich bin auch nicht tot.«
Jocko kam aus der Speisekammer und sagte: »Zimtbrötchen von Jim James?«
»Sechs für jeden«, bestätigte sie.
Er grinste sie an.
Als sie Jockos Bekanntschaft gemacht hatte, war sie entsetzt vor seinem Grinsen zurückgewichen, da es seine ohnehin schon missglückten Gesichtszüge in eine Maske des Schreckens verwandelte, die sogar die Ehefrau von Victor Frankenstein erschauern ließ. Im Lauf der letzten zwei Jahre hatte sie diesen katastrophalen Gesichtsausdruck jedoch lieben gelernt, weil seine Freude sie rührte und ihr guttat.
Er hatte viel gelitten. Er hatte ein bisschen Glück verdient.
Die Mutterliebe ließ ihr das, was der Rest der Welt grotesk und abstoßend fand, schön erscheinen. Nun ja, vielleicht nicht wirklich schön, aber zumindest pittoresk.
Jocko huschte zum Küchentisch, kletterte auf einen Stuhl und klatschte beim Anblick der weißen Gebäckschachtel in die Hände.
»Warte, bis ich Teller und Servietten geholt habe«, warnte ihn Erika. »Und was möchtest du trinken?«
»Sahne«, sagte Jocko.
»Ich glaube, ich werde auch Sahne trinken.«
Victor war für unsägliche Gräuel und Katastrophen verantwortlich. Das vielleicht Einzige, was er richtig hingekriegt hatte, war der Stoffwechsel seiner Geschöpfe. Sie hätten sich von nichts anderem als Butter und Sirup ernähren können, ohne ihrer Gesundheit zu schaden oder ein Gramm zuzunehmen.
Erika stellte zwei Teller hin und legte Gabeln daneben, und Jocko sagte: »Darf Jocko jetzt eins essen?«
»Nein, du musst noch warten.«
Als Erika Servietten hinlegte und zwei Trinkgläser auf den Tisch stellte, sagte er: »Darf Jocko jetzt eins haben?«
»Noch nicht. Benimm dich. Du bist doch kein Schwein.«
»Jocko könnte ein Schwein sein. Zum Teil. Wer weiß? Jede Menge seltsame DNA in der Mischung. Vielleicht liegt es in Jockos Natur, sich jetzt sofort über die Zimtbrötchen herzumachen und
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