Der Schoepfer
Schreibblockade zu haben oder einen Moment desillusioniert zu sein.
Im Lauf der letzten fünfzehn Jahre wurden immer weniger Western veröffentlicht, und die Verlage boten von Jahr zu Jahr weniger Geld dafür. Das goldene Zeitalter des Genres war längst vorbei.
Leser hatten nichts mehr für die Vergangenheit übrig, weil sie nicht mehr daran glaubten. Man hatte ihnen zu lange eingeredet, alles, was sie über die Vergangenheit wüssten, sei gelogen, die braven Männer mit dem strikten Ehrenkodex seien in Wirklichkeit die Bösewichte und die Gesetzlosen seien entweder Opfer der Ungerechtigkeit oder Rebellen gegen die Konformität – und das waren die wahren Lügen.
Die Menschen glaubten nicht an die Vergangenheit, und sie glaubten auch nicht an die Gegenwart oder an die Zukunft, weil ihnen ständig eingeredet wurde, die Welt steuerte der einen oder anderen Katastrophe entgegen und vor ihnen läge eine bunte Mischung von Weltuntergangsszenarien. Sie glaubten nur noch an die ferne Zukunft, in der es Abenteuer zu erleben gab – auf weit entfernten Planeten, die keinerlei Ähnlichkeit mit der Erde aufwiesen, und diese Abenteuer erlebten Wesen, die wenig oder gar nichts mit den derzeitigen Menschen zu tun hatten, oder sie wünschten sich Parallelwelten mit Hexern und Zauberern, wo alle Probleme mit Zauberstäben, Zauberformeln und durch das Herbeizitieren von Dämonen gelöst wurden.
Bryce Walker hatte etwas gegen diese Art von Geschichten, weil er nichts Reales in ihnen entdecken konnte, aber vor allem störte ihn, dass sie haufenweise Nervenkitzel ohne jede Bedeutung enthielten, Farbe ohne Glut und einen Pantheismus, der das menschliche Leben herabwürdigte. Es waren die Geschichten von Menschenhassern.
Oh ja, er war wirklich auf dem besten Wege, ein Griesgram zu werden. Falls er lange genug lebte, würde er ein Nörgler von derart legendärem Format werden, dass man sich in Rainbow Falls noch an seine Miesepetrigkeit erinnern würde, wenn seine Knochen und seine Bücher schon längst zu Staub zerfallen waren.
Obwohl er gut gelaunt wach geworden war, zog ihn die Unaufmerksamkeit des Krankenhauspersonals stündlich tiefer hinunter. Wenn er doch bloß ein billiges Taschenbuch kaufen könnte, irgendeinen Roman, um sich die Zeit zu vertreiben, dann wäre er halbwegs zufrieden gewesen, aber man hatte ihm mitgeteilt, die ehrenamtlichen Helfer hätten heute frei und würden nicht mit ihren Wägelchen die Runde drehen, damit die Patienten Lesestoff und Snacks erwerben konnten.
Als Dr. Rathburn am späten Vormittag endlich nach ihm sah, rasselte Bryce eine ganze Liste von Beschwerden über das Krankenhaus herunter. Er rechnete damit, dass sich Doc Rathburn über seine Verdrießlichkeit lustig machen würde, wie es seine Art war. Aber Bryce ging auch davon aus, dass der Doc dafür sorgen würde, dass innerhalb von Minuten sein Bettzeug gewechselt, die Karaffe mit Eiswasser gefüllt, die Medikamente gebracht, das schmutzige Geschirr entfernt und ein gutes Taschenbuch für ihn herbeigeschafft würde, denn Dr. Rathburn war effizient und brachte die Dinge ins Rollen.
Stattdessen jedoch wirkte der Arzt ungeduldig, als er sich seine Beschwerden anhörte, und sagte nur, viele Mitarbeiter hätten sich wegen einer frühen Grippe krank gemeldet, alle seien überarbeitet und er täte, was er könnte, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Auf Bryce Walker wirkte der Arzt gleichgültig, und seine Versprechen klangen nicht nur schwach, sondern auch … unaufrichtig.
Als Doc Rathburn wieder auf die zusätzlichen Untersuchungen zu sprechen kam, die er am vorangegangenen Abend erwähnt hatte, sagte er, die Untersuchungen müssten auf den späten Nachmittag verschoben werden, da die Grippe die Belegschaft reichlich dezimiert hätte. Als Bryce fragte, welche Untersuchungen denn notwendig seien, sprach der Arzt von »den üblichen diagnostischen Verfahren«, sah auf seine Armbanduhr, schob Zeitnot vor, bat um Geduld und verließ das Zimmer.
Von dem Humor, durch den er sich sonst auszeichnete, war nichts zu erkennen gewesen. Normalerweise erklärte er die Gründe, die eine Untersuchung erforderlich machten, und beschrieb das Verfahren detailliert, doch diesmal hatte er sich vage ausgedrückt, fast schon … ausweichend. Von seinem wunderbaren Umgang mit Kranken, der für seine Patienten so tröstlich war, war ihm keine Spur geblieben. Wenn nicht gar schroff, so war das Auftreten des Arztes zumindest untypisch barsch gewesen. Bryce Walker war
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