Der Schoepfer
Ihr wagt euch wieder mal weit auf einen Ast hinaus und sägt ihn hinter euch ab, stimmt’s?«
»Das Sägen übernehmen wir nie selbst«, sagte Michael. »Das überlassen wir Freiwilligen.«
»Sie haben immer einen Witz auf Lager, das ist wohl wahr, aber die Kleine da in dem Laufstall, die ist kein Witz. Sie braucht einen Vater und eine Mutter.«
»Es geht doch nur um einen Fall wie sonst auch«, beteuerte Michael dem Kindermädchen. »Es ist ja nicht so, als machten wir Jagd auf Vampire.«
Carson wollte Scout hochheben und sie eng an sich drücken, doch das Baby war eingeschlafen. Carson und Michael blieben einen Moment neben dem Laufstall stehen und blickten auf ihr Kind hinunter, denn der Gedanke, die Kleine zu verlassen, widerstrebte ihnen. Scout furzte im Schlaf.
Arnie bearbeitete weiterhin den Teig, und Carson konnte ihm ansehen, dass ihr Bruder keine Umarmung und keinen Kuss zum Abschied wollte. Mühsam zurückgehaltene Tränen standen in seinen Augen, und er war fest entschlossen, sie nicht zu vergießen.
»Pass gut auf Scout auf«, war alles, was sie zu ihm sagte, und er nickte.
Carson legte Mary Margaret eine Hand auf den Arm, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und sagte: »Ich weiß nicht, was ich ohne Sie täte.«
Mary Margaret biss sich auf die Unterlippe, sah Carson einen Moment lang forschend ins Gesicht und sagte dann: »Es geht um etwas anderes als sonst, nicht wahr, Mädel?«
»Nur eine Kleinigkeit, die wir für einen alten Freund tun«, beteuerte sie dem Kindermädchen.
»Sie lügen keine Spur besser als meine Töchter in früheren Zeiten, wenn sie es gewagt haben, mich hinters Licht zu führen.«
»Das kann schon sein. Aber ich gäbe keine gute Nonne ab.«
Als sie allein mit Michael die Hintertür erreichte, lehnte sie sich an ihn, ehe sie ihr Gepäck aufhoben, schlang ihre Arme um ihn und schmiegte ihren Kopf an seine Brust. Er drückte sie fest an sich.
Nach einem Moment sagte sie: »Scout hat im Schlaf gepupst.«
»Ich habe es gehört.«
»Das war so goldig.«
»Ja«, stimmte er ihr zu. »Das war wirklich goldig.«
Carson sagte kein weiteres Wort, und er verstand offensichtlich, dass sie keinen tröstlichen Zuspruch brauchte, sondern ihn nur in den Armen halten und von ihm gehalten werden wollte, um den Abschiedsschmerz zu überwinden.
Sie wussten, wann der Moment zum Aufbruch gekommen war; gleichzeitig lösten sie sich aus ihrer Umarmung. Sie nahmen ihr Gepäck und gingen in die Garage.
Deucalion hatte die Heckklappe des Jeeps bereits geöffnet. Er wartete neben der offenen Fahrertür des Grand Cherokee.
Nachdem sie ihr Gepäck eingeladen hatten, schloss Michael die Heckklappe, und Carson sagte zu Deucalion: »Ich fahre.«
»Diesmal nicht«, sagte er.
»Ich fahre immer.«
»Das stimmt«, sagte Michael. »Sie fährt immer.«
Deucalion setzte sich hinter das Steuer und zog die Fahrertür zu.
»Monster«, sagte Michael. »Da lässt sich nichts machen. Die sind alle ziemlich von sich eingenommen.« Er nahm auf dem Rücksitz Platz.
Carson begnügte sich mit dem Beifahrersitz. Deucalion wirkte riesig auf dem Fahrersitz neben ihr.
Er fuhr aus der Garage, benutzte die Fernbedienung, um das elektrische Tor zu schließen, und bog auf der Straße nach links ab.
»Wo ist der Privatflugplatz? Von wo aus fliegen wir?«, fragte Carson.
»Das wirst du schon noch sehen.«
»Es überrascht mich, dass es dir nichts ausmacht, am helllichten Tag unterwegs zu sein.«
»Die Seitenfenster sind getönt. In dem Jeep bin ich nicht so leicht zu sehen. Außerdem sind wir hier in San Francisco, da falle ich weniger auf.«
Nach der zweiten Kreuzung sagte sie: »Bleibst du immer unter der Geschwindigkeitsbegrenzung?«
»Jetzt geht’s los«, ließ sich Michael vom Rücksitz vernehmen.
»Sei nicht so ungeduldig«, riet Deucalion Carson.
»Ich bin nicht ungeduldig. Ich bin es bloß nicht gewohnt, von einem zweihundertjährigen Senior spazieren gefahren zu werden, der seine Hose bis unter die Achseln hochzieht und zwanzig Meilen in der Stunde für ein waghalsiges Tempo hält.«
»Ich ziehe meine Hose nicht bis unter meine Achseln hoch, und ich versuche nur, den richtigen Moment zum Abbiegen zu finden.«
»Unter dem langen schwarzen Mantel kann man das mit der Hose nicht so recht sehen. Und weißt du nicht, wohin wir fahren? Wir haben ein Navigationssystem. Ich könnte es einschalten.«
»Ist sie immer so, wenn sie in einem Auto sitzt?«, fragte Deucalion Michael.
»Wie denn?«, fragte
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