Der Schoepfer
Krankenhauskellers standen Polizeichef Jarmillo und Dr. Henry Lightner auf gegenüberliegenden Seiten der fahrbaren Krankenliege, auf der die Leiche von Brian Murdock lag.
»Das ganze Gesicht ist total zertrümmert«, sagte Jarmillo.
»Cody musste ihn aufhalten.«
»Selbstverständlich.«
»Sie oder ich hätten dasselbe getan.«
»Vielleicht nicht ganz so aggressiv.«
»Oder vielleicht noch aggressiver«, sagte Lightner.
Jarmillo blickte von der Leiche auf und sah dem Arzt in die Augen. »Jede Form von Übereifer muss gemeldet werden.«
»Er war nicht übereifrig.«
»Wie viele Schläge mit dem Schlagstock?«
»Wir haben keine Zeit für eine Autopsie. In Anbetracht all dessen, was wir bis heute Abend erledigt haben müssen, wäre das keine effiziente Nutzung der Zeit.«
»Aber was glauben Sie, wie oft er zugeschlagen hat? Schätzen Sie einfach.«
»Nicht oft.«
»Ist das wahr?«
»Nicht oft«, wiederholte Lightner. »Nicht oft. Er hat getan, was er tun musste.«
»Und er hat es effizient getan. Das Problem liegt darin, wo er es getan hat. Im Freien.«
»Niemand hat es gesehen«, sagte Lightner.
»Das können wir nicht mit Sicherheit sagen.«
»Wenn es Leute gesehen hätten, dann hätten sie es einer Krankenschwester oder einem Pfleger erzählt. Sie hätten gewollt, dass wir die Polizei rufen.«
»Nicht, wenn sie misstrauisch sind … uns allen gegenüber.«
»Wieso sollten sie uns misstrauen? Nicht einmal Hunde können den Unterschied zwischen uns und ihnen riechen.«
»Vielleicht imitieren wir sie weniger gut, als wir glauben. Vielleicht nehmen die Scharfsinnigeren unter ihnen wahr, dass etwas nicht stimmt.«
»Falls einer von ihnen etwas gesehen hat, lebt er ohnehin nicht mehr lange.«
Jarmillo nickte. »Sie brauchen Cody hier.«
»Ich brauche jeden, um es zu schaffen.«
»Und keiner der Anwesenden glaubt, dass er übereifrig war?«
»Nein, keiner.«
Jarmillo dachte einen Moment lang über die Situation nach. Keiner der Patienten des Krankenhauses hatte einen Telefonanschluss zur Verfügung. Handys und Geräte, mit denen man Textnachrichten verschicken konnte, waren unter dem einen oder anderen Vorwand eingesammelt worden. Niemand konnte das Gebäude verlassen, ohne wieder in sein Zimmer geführt oder auf die Weise zurückgehalten zu werden, auf die Cody diesen Murdock zurückgehalten hatte. Sie hatten gehofft, nach der Besuchszeit könnten sie beginnen, die Patienten den Baumeistern zuzuführen. Aber falls jemand gesehen hatte, wie Murdock getötet worden war, und falls derjenige Besuch bekam, riskierten sie eine Bloßstellung, wenn dieser Besucher das Krankenhaus verließ.
»Die Mittagsbesuchszeit ist vorbei?«, fragte Jarmillo.
»Ja.«
»Und am Abend ist die Besuchszeit … ?«
»Von fünf bis acht.«
»Uns wird es zusätzliche Schwierigkeiten machen, aber wir müssen die Abendbesucher am Fortgehen hindern. Auch sie werden wir alle den Baumeistern übergeben müssen.«
»Wir werden Hilfe brauchen.«
»Ich trete Ihnen drei weitere Deputys ab.«
»Dann lässt es sich machen.«
Jarmillo sah sich Murdocks Gesicht noch einmal aufmerksam an. »Ich glaube, der Schöpfer würde Cody als übereifrig bezeichnen.«
»Und ich glaube«, sagte Lightner, »Sie sind mit Übereifer darauf aus, Übereifer an anderen zu entdecken.«
Der Polizeichef sah Lightner noch einmal in die Augen. Nachdem beide eine Zeit lang geschwiegen hatten, sagte er: »Für die Gemeinschaft.«
»Für die Gemeinschaft«, erwiderte Dr. Lightner.
44.
Jockos großer Augenblick. Zwei Jahre lang hatte er keine Menschen mehr zu sehen bekommen. Er wollte einen guten Eindruck machen. Er wollte, dass sie ihn mochten. Ihn als einen amerikanischen Landsmann akzeptierten. Er wollte Erika mit Stolz erfüllen. Es nicht vermasseln.
Ihnen einen Schrecken einzujagen war ein schlechter Start. Hör auf zu grinsen. Nur ein kleines Lächeln.
Vielleicht sollte er mit den Ohren wackeln. Nein! Nein, nein, nein! Als Jocko damals in dieser Gasse die ältere Frau gesehen und mit den Ohren gewackelt hatte, hatte sie mit einer Mülltonne auf ihn eingeschlagen. Und die Katze nach ihm geworfen. Die Katze war furchtbar. Bloß nicht mit den Ohren wackeln.
Er streckte seine rechte Hand zur Begrüßung aus und ging auf Deucalion zu. »Ich bin Jocko. Jocko jongliert. Jocko dreht Pirouetten. Jocko ist ein Monster wie du, aber nicht so hübsch. Jocko ist es ein großes Vergnügen, deine Bekanntschaft zu machen.«
Deucalions Hand war so groß, dass
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