Der Schoepfer
dass man ihm andere Tabletten geben sollte. Es müsste das falsche Medikament sein, und er machte sich Sorgen, es könnte ihm schaden. Eine andere Krankenschwester hätte ihm die Tablette gegeben. Im Moment sähe er sie nirgends und er wüsste aus den Erfahrungen, die er gemacht hatte, als Rennie hier gewesen war, dass Doris Makepeace ein strenges Regiment führte und man sich immer darauf verlassen konnte, dass sie alles wieder in Ordnung brachte.
Die Krankenschwester schien sich nichts aus seinen schmeichelhaften Bemerkungen zu machen, aber sie jagte Mr Walker auch nicht fort. Sie nahm ihm sein Pillenschälchen ab, stand von ihrem Drehstuhl auf und ging durch eine Tür am hinteren Ende des Stationszimmers in den Medikamentenraum, um zu überprüfen, was ihm verschrieben worden war, und ihm vielleicht die Tablette zu geben, die er haben wollte.
Sowie Schwester Makepeace durch die Tür verschwunden war, sah sich Travis nach beiden Seiten um, weil er sichergehen wollte, dass Bryce Walker der einzige Mensch auf dem Flur war, und dann verließ er sein Zimmer. Mit den Kleidungsstücken in seinem Kissenbezug lief er nach Norden. Er rannte nicht, doch er bewegte sich rasch und leise voran.
Bryce Walker warf ihm einen Blick zu, nickte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der offenen Tür des Medikamentenraums zu.
Am Nordende des Haupttrakts bog Travis in den Flur ab, der von Osten nach Westen führte und menschenleer war. Mr Walker hatte gesagt, das erste Zimmer sei Nummer 231, und Travis sah genau diese Ziffern auf der Tür. Rennie, die Frau des alten Mannes, war in diesem Zimmer gestorben.
Zwischen Zimmer 231 und dem nächsten regulären Krankenzimmer befanden sich zwei Türen ohne Aufschrift. Travis öffnete die zweite, wie Mr Walker es ihm aufgetragen hatte, trat in die Dunkelheit und zog die Tür hinter sich zu.
Er tastete nach dem Wandschalter. Als das Licht plötzlich aufflammte, sah er, dass er auf einem quadratischen Treppenabsatz von knapp zwei Metern Seitenlänge stand, von dem aus hölzerne Stufen mit Gummimatten nach oben führten.
Travis trat sich die Pantoffel von den Füßen und zog seinen Schlafanzug aus. Schnell schlüpfte er in die Sachen, die er bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus getragen hatte, und stopfte seinen Schlafanzug und die Pantoffeln in den Kissenbezug.
Da er sich an den wütenden Raumpfleger mit dem Schlagstock erinnerte, hatte Travis erwartet, er würde sich auf dem Weg von seinem Zimmer zu seinem derzeitigen Aufenthaltsort fürchten. Stattdessen hatte seine Furcht nachgelassen, als er in Bewegung war, um der Aufregung des Abenteuers Platz zu machen.
Jetzt musste er wieder untätig abwarten.
Mit dem Warten kehrte seine Furcht zurück. Er fragte sich, wie die Außerirdischen wohl waren, wenn man durch ihre menschliche Verkleidung blicken könnte. Er hatte eine Menge Comics gelesen und eine Menge Filme gesehen, die seiner Einbildungskraft Nahrung gaben. Es dauerte nicht lange, bis seine Handflächen und sein Nacken feucht waren und sein Herz schneller schlug als vorhin, als er durch die Flure geeilt war.
46.
Als Schwester Makepeace mit Bryce’ Pillenschälchen aus dem Medikamentenraum zurückkam, lag darin eine Kapsel wie die, die man ihm am Abend zuvor gegeben hatte.
»Sie hätten viel eher damit zu mir kommen sollen«, sagte Doris Makepeace, »sowie Ihnen der Unterschied aufgefallen ist. Jetzt ist die Zeit für die nächste Tablette schon um Stunden überschritten.«
»Ich nehme sie, sobald ich wieder in meinem Zimmer bin«, versprach er ihr.
»Ja. Sie müssen sie unbedingt nehmen.«
Sie war lange genug in dem Medikamentenraum gewesen, um seinen Argwohn zu wecken. Lange genug, um das Pulver aus der einen Kapsel in die andere umzufüllen. Diese Kapsel machte den Eindruck, sie sei das Medikament, das Bryce ursprünglich verordnet bekommen hatte, doch in Wirklichkeit konnte sie ein starkes Beruhigungsmittel enthalten.
Zurück in seinem Zimmer, spülte er die Kapsel in der Toilette runter und ließ das zerknautschte Schälchen in den Abfalleimer fallen.
Schon vorher hatte er das Laken von seinem Bett gezogen und das übrige Bettzeug so arrangiert, dass es nicht auffiel. Im Badezimmer schnitt er mit Travis’ Taschenmesser das Bettlaken in Streifen und machte daraus ein Seil mit Knoten in regelmäßigen Abständen, an denen man sich gut festhalten konnte. Mit einer Länge von knapp vier Metern reichte es tief genug hinunter, um alle davon zu überzeugen, dass er und der
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