Der Schoepfer
Schinkenscheiben, ein Teller mit Käsescheiben, ein Teller mit frischen Orangenstücken, eine Packung Trinkschokolade, Butter, Apfelbutter, Traubengelee, Erdbeergelee und Ketchup.
»Im Gefängnis haben wir kein Frühstück bekommen«, sagte Nummy.
»Wir wären fast gefrühstückt worden . Wir können nicht mal ein Zehntel davon essen.«
»Na ja«, sagte Nummy. »Ich wusste ja nicht, was Sie mögen und was nicht. Jetzt können Sie es sich aussuchen. Sie waren so lange im Bad, dass ich genug Zeit hatte.«
Mr Lyss setzte sich an den Tisch und begann, Essen auf seinen Teller zu häufen, wobei er Dinge, für die man eine Gabel brauchte, mit den Händen nahm. Man konnte deutlich sehen, dass es in seinem Leben nie eine Großmama gegeben hatte.
Nummy wollte ein Gespräch beginnen, weil er hoffte, dann würde Mr Lyss das Essen nicht so schnell und mit nicht ganz so vielen ekligen Geräuschen hinunterschlingen. Daher sagte er: »Dann haben Sie also all diese zusätzlichen Tage Zeit zum Leben, weil Sie sich nicht die Zähne putzen, aber fallen einem da nicht manche Zähne aus?«
»Ein paar«, sagte Mr Lyss. »Das ist ein Kompromiss. Alles im Leben ist ein Kompromiss. Weißt du, wie viel Zeit ein Durchschnittsdepp unter der Dusche verbringt? Zweihundertzweiundsechzig Tage im Lauf von siebzig Jahren! Dieser Reinlichkeitsfimmel, das ist eine Besessenheit. Krank ist das, genau das ist es. Weißt du, was ich mit zweihundertzweiundsechzig Tagen anfangen könnte?«
»Was könnten Sie damit anfangen, Sir?«
» Alles! «, schrie Mr Lyss und schwenkte dabei eine Waffel durch die Luft. Die Butter spritzte in alle Richtungen. »Alles, was ich will.«
»Wow«, sagte Nummy. »Alles.«
»Weißt du, wie viel Zeit ein Durchschnittsdepp damit verbringt, sich zu rasieren und auf einem Friseurstuhl zu sitzen?«
»Wie viel, Sir?«
»Das willst du nicht wissen. Es ist ein solcher Irrsinn, dass man besser gar nicht daran denkt.«
»Ich will es wissen, Sir. Ich will es wirklich wissen.«
»Ich will es mich aber selbst nicht sagen hören. Es deprimiert mich nur, wenn ich es sage. Das Leben ist kurz, Junge. Vergeude dein Leben nicht.«
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun, Sir.«
»Oh, doch, du wirst es tun. Alle tun es. Auf die eine oder andere Weise. Obwohl du als Schwachsinniger nicht viel zu vergeuden hast. Auch in dem Punkt hast du Glück gehabt.«
Als sie ihr spätes, aber dafür umso üppigeres Frühstück verspeisten, aß Mr Lyss viel mehr, als Nummy ihm zugetraut hätte. Darüber, wo das Essen in diesem knochigen Körper blieb, hätte Nummy nicht einmal eine Vermutung äußern können.
»Was ich mir überlegt habe«, sagte Mr Lyss, während er geräuschvoll an etwas sog, was zwischen seinen Zähnen stecken geblieben war, »ist, dass wir mit unserem Aufbruch besser nicht bis zur Dunkelheit warten. Wir müssen Zeug besorgen, und wir werden es vor dem Abend brauchen, weil dann vielleicht alles noch haariger werden könnte als bisher.«
»Was für Zeug?«, fragte Nummy.
»Zuerst einmal Waffen.«
»Ich mag keine Waffen.«
»Du brauchst sie nicht zu mögen. Ich werde die Waffen mit mir rumtragen, nicht du. Wozu wäre es gut, Hunderte von Tagen meines Lebens einzusparen, indem ich sie nicht auf unnötige Körperpflege vergeude, wenn ich dann einem Dämlack wie dir eine Schrotflinte in die Hand drücke, damit du mir versehentlich den Kopf wegpusten kannst?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Nummy. »Wozu wäre es denn gut?«
Mr Lyss begann, sein Gesicht zu verziehen, wie er es immer tat, wenn er dicht davorstand aufzubrausen, doch dann hörten die Grimassen auf. Stattdessen schüttelte er den Kopf und lachte.
»Ich weiß nicht, was du an dir hast, Peaches.«
»Was habe ich denn an mir?«
»Ich habe dir doch gerade gesagt, dass ich es nicht weiß. Dein gigantischer Intellekt ist es mit Sicherheit nicht, aber du bist keine schlechte Gesellschaft.«
»Sie sind auch keine schlechte Gesellschaft, Sir. Vor allem, wenn Sie besser riechen. Wie jetzt.«
Nummy wollte das Geschirr spülen und alles wieder wegräumen, doch Mr Lyss sagte, wenn er das versuchte, würde er ihn mit einer Schaufel totschlagen.
Sie stiegen durch ein Fenster aus, um Mrs Trudy LaPierres Haus zwischen sich und Nummys Haus zu haben, wo die beiden Bullen, die nicht einfach nur Bullen waren, Norman dem Hund Dinge antun könnten, an die Nummy nicht zu denken wagte.
Der Himmel war grau und wirkte hart. Die Luft war kälter. Nummy beschlich ein ganz schlechtes
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