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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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waren Steuerköpfe für die Aufzüge untergebracht, und sie ermöglichten den Zugang für die Wartung. Bryce wusste nicht, worum es sich bei den anderen Aufbauten handelte.
    Entlüftungsrohre und Rohrleitungen mit Regenhauben von verschiedener Größe ragten dreißig bis sechzig Zentimeter aus dem Dach auf. In dem schwindenden Tageslicht ähnelten sie Pilzen, die dicht nebeneinander wuchsen.
    Jeder der drei Flügel des Memorial Hospitals hatte eine robuste Stahlleiter, die an die Backsteinmauer geschraubt war, damit Feuerwehrmänner Zugang zum Dach hatten und nicht nur auf die hydraulische Drehleiter auf ihrem Löschfahrzeug angewiesen waren. Ein Abstieg am nördlichen Flügel oder am Haupttrakt wäre zu auffällig gewesen, doch die dritte Leiter, die von ihrem derzeitigen Standort am weitesten entfernt war, könnte ihnen ein unauffälliges Entkommen ermöglichen, über die relativ abgeschiedene Südseite des Gebäudes.
    Solange sie sich nur in der Mitte hielten, würden die Breite des Dachs und die fast einen Meter hohe Brüstung verhindern, dass sie von jemandem auf dem Gelände unter ihnen oder von der Straße aus gesehen wurden.
    Bryce sagte zu dem Jungen: »Direkt unter uns ist der Dachboden, da kann uns niemand hören, aber lass uns trotzdem leichtfüßig auftreten. Bleib in meiner Nähe.«
    »In Ordnung.«
    »Pass auf mit den Entlüftungsrohren.«
    »Wird gemacht.«
    Der gut aussehende junge Mann bewegte sich mit der Anmut eines Tänzers und dem Selbstbewusstsein eines Stars. Er blieb mitten im Raum stehen. Die fünf Patienten in Rollstühlen, die auf die Blutabnahme warteten, Jean-Anne Chouteau und Julian Vergelle bildeten einen Halbkreis um ihn herum.
    Als er sie alle anlächelte, schien seine Schönheit geradezu überirdisch zu sein. Jean-Anne sah, dass sie nicht die Einzige war, die er bezauberte. Sogar Julian starrte ihn wie gebannt an.
    Obwohl sie diesen Mann nicht kannte und obwohl sie Mary-Jane enttäuschen würde, verspürte Jean-Anne den Drang, ihm die Tupperware-Dose mit ihren gerühmten Minimuffins zu schenken.
    Doch bevor sie ihm ihre Backwaren überreichen konnte, sagte der junge Mann: »Ich bin euer Baumeister.«
    Sie hatte keine Ahnung, was das heißen sollte, aber seine Stimme war honigsüß, hatte ein einschmeichelndes Timbre und klang so melodiös, dass sie wünschte, sie könnte ihn singen hören.
    Er wandte sich an Lauraine Polson und ging auf sie zu.
    Als er der Kellnerin in dem Rollstuhl seine rechte Hand entgegenstreckte, lächelte sie unsicher, doch dann streckte auch sie ihm ihre Hand hin, fast so, als forderte er sie zum Tanzen auf, und sie bekundete ihr Einverständnis.
    Etwas passierte mit der Hand des jungen Mannes, ehe Lauraine sie nehmen konnte. Erst schienen sich die Finger und dann alles bis hoch zum Handgelenk aufzulösen, als sei seine Hand aus Tausenden, vielleicht sogar Millionen von Mücken zusammengesetzt, die sich miteinander verschworen hatten, eine Hand zu imitieren, jetzt aber nicht mehr zu einer überzeugenden Darstellung fähig waren. Die Form einer Hand blieb aufrechterhalten, aber die Haut war fort, und das galt auch für die Nägel und die Falten auf den Knöcheln. Die Hand war glatt und silbrig, und doch schien ihre Substanz die einer unaufhörlich umherschwirrenden Masse von winzigen Insekten zu sein, deren Tausende von schillernden Flügeln glitzerten, während sie wutentbrannt immer wieder auf die Luft und aufeinander einschlugen, obwohl sie nichts so Gewöhnliches oder so Harmloses wie Insekten waren.
    Lauraine ließ sich erschrocken in ihren Rollstuhl zurücksinken, doch der junge Mann beugte sich vor, um seine Hand auf ihren Kopf zu legen, als sei sie eine Bittstellerin und er ein Durchreisender der Erweckungsbewegung, ein Gesundbeter, der die Kraft Gottes zu sich herabrief, um sie zu heilen.
    Aber dann sank seine Hand plötzlich in ihren Kopf hinein, durch ihren Schädel , als seien ihre Knochen aus Butter, und weiter in ihr Gehirn, woraufhin sie heftig gegen die Seitenhalterungen des Rollstuhls trat und ihre Arme wie Dreschflegel spastisch um sich schlugen, aber nur einen Moment lang, bevor sie schlaff in sich zusammensackte. Ihre Augäpfel fielen so tief in die Augenhöhlen zurück, dass sie nicht mehr zu sehen waren, und dort, wo ihre Augen gewesen waren, erschien jetzt ein Teil des silbernen Schwarms, und ihr Mund sprang auf, doch sie spuckte kein Blut – wie Jean-Anne erwartet hatte – , sondern einen nicht surrenden Schwarm winzig kleiner Wespen.

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