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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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jetzt.«
    »Nein, warten Sie. Warten Sie einen Moment.«
    Der Junge lief geschickt zwischen den Entlüftungsrohren hindurch und reckte seinen Kopf dahin und dorthin, bis er den Ursprung der Geräusche identifiziert hatte. Dann ging er auf die Knie, um zu lauschen.
    Die Stimmen drangen aus weiter Ferne herauf, durch faserige Filter und an den Blättern von Absaugventilatoren vorbei, die sich langsam drehten, und sie kamen durch so viele Rohrwindungen, dass sie dünn und stockend klangen. Trotzdem drückte sich in ihnen ein solches Elend aus, eine solche Not, dass Bryce erschauerte, weil ihn diese fernen Schreie noch mehr frösteln ließen als die kalte Luft.
    Der Junge sagte: »Das ist kein Fernseher.«
    »Nein, es ist keiner.«
    »Das ist echt. Es sind echte Menschen.«
    »Hör nicht darauf. Komm endlich.«
    »Werden sie getötet?«, fragte Travis.
    »Hör nicht darauf. Sonst wirst du sie für den Rest deines Lebens hören.«
    »Wir müssen ihnen helfen. Können wir ihnen nicht helfen?«
    »Wir wissen nicht, wo sie sind«, sagte Bryce, »nur, dass sie wahrscheinlich im Keller sind.«
    »Es muss doch einen Weg nach unten geben. Und eine Möglichkeit, an den Wächtern vorbeizukommen.«
    »Nein, es gibt keinen Weg.«
    »Es muss einen Weg geben«, beharrte der Junge.
    »Ich weiß, dass es scheint, als müsste es eine Möglichkeit geben, aber manchmal gibt es eben keine.«
    »Es macht mich krank, diese Schreie zu hören.«
    »Wenn es uns irgendwie gelänge, zu ihnen zu finden«, sagte Bryce, »dann würden wir in denselben Schwierigkeiten stecken wie sie. Dann wären es unsere Stimmen, die durch die Rohrleitungen hallten.«
    »Aber es ist furchtbar, das einfach geschehen zu lassen.«
    »Ja, du hast recht. Komm jetzt.«
    »Was passiert überhaupt mit ihnen?«
    »Ich weiß es nicht. Und wir wollen es nicht selbst herausfinden. Komm schon, mein Sohn. Uns könnte die Zeit ausgehen.«
    Widerstrebend zog sich Travis neben dem Entlüftungsrohr auf die Füße und schloss sich Bryce wieder an.
    Als Bryce dem Jungen eine Hand auf die Schulter legte, konnte er fühlen, dass er zitterte.
    »Mir gefällt deine Gesinnung, Travis. Du hast einen Instinkt für Gerechtigkeit. Wir können diese Menschen nicht retten. Sie sterben bereits. Aber wenn wir Hilfe holen und auf anderem Wege in Erfahrung bringen, was hier vorgeht, dann könnten wir vielleicht andere retten.«
    »Wir müssen etwas für sie tun.«
    »Wir werden es versuchen.«
    Das Dach des Haupttrakts ging ins Dach des Südflügels über. Bryce fand die Feuerleiter, die genau da, wo er sie erwartet hatte, gebogen über die Brüstung ragte.
    Der Himmel war ein Feld aus leicht phosphoreszierender Asche, im Osten dunkler als im Westen, aber von einem Ende bis zum anderen erstreckte sich eine Dunkelheit, die nur graduelle Unterschiede aufwies.
    Bryce beugte sich gemeinsam mit Travis über die Brüstung. Er konnte eine gepflasterte Feuerwehrzufahrt sehen, die seitlich an dem Gebäude entlangführte und von Bordsteinlampen in gleichmäßigen Abständen erhellt wurde. Von dem grasbewachsenen Abhang, der hinter dem Bordstein begann, konnte er nicht viel erkennen, doch von seinen Spaziergängen auf dem Dach während der letzten Tage vor Rennies Tod erinnerte er sich an ihn. Der Hang führte zu einem Kiefernwäldchen. Jetzt hoben sich die Bauwipfel nur als Umrisse vom Licht ferner Straßenlaternen und Häuser ab.
    »Zu beiden Seiten der Feuerleiter sind Fenster. Mach dir deshalb keine Sorgen«, sagte Bryce. »Es sieht so aus, als seien es knapp zehn Meter bis zum Boden. Kriegst du das hin?«
    »Klar. Das schaffe ich.«
    »Das dort unten ist eine reine Feuerwehrzufahrt. Sie wird weder von den Mitarbeitern noch von Lieferanten benutzt. Die Gefahr, dass dort jemand vorbeikommt und uns sieht, ist sehr gering. Du brauchst also nicht runterzusausen wie an einer eingefetteten Stange.«
    »In Ordnung. Ich bin so weit.«
    »Du gehst zuerst«, sagte Bryce. »Wenn du unten ankommst, überquerst du das Pflaster, läufst fünf bis sechs Meter in das Gras hinein und legst dich flach hin, damit die Dunkelheit und der Hang dich verbergen.«
    »Sie werden dicht hinter mir sein?«
    »Ich werde warten, bis du flach im Gras liegst. Es hat keinen Sinn, dass wir beide gleichzeitig ungeschützt sind. Dann holen wir bei einem Freund von mir Hilfe.«
    So flink wie ein Äffchen und voller Zuversicht stieg der Junge ohne Zwischenfälle die Feuerleiter hinunter und eilte über die Feuerwehrzufahrt. Als er sich flach ins

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