Der schottische Seelengefährte (German Edition)
schon erbärmlich, da sie das Frühstück nach dem Toilettengang unmöglich hatte anrühren können. Während sie eifrig den deftigen Eintopf aß, räumte die Magd eilig auf und machte ihr Bett.
„Wie heißt du?“ sprach Mary sie an. Es war immer besser, den Namen der Leute zu kennen, die einen umgaben.
Unsicher blickte die Magd von ihrer Arbeit auf.
„Moira, Mylady.“
„Gut, Moira. Bist du schon lange hier?“
Diese nickte verschüchtert. „Ich bin hier geboren. Meine Mutter hat hier schon in der Küche gearbeitet, sie kannte auch Eure Mutter. Deshalb habe ich auch ihr damaliges Zimmer für Euch vorbereitet.“
Mary nickte verstehend und biss von einem harten Stück Brot ab. Unvermittelt stockte sie und schluckte den Bissen hart hinunter. Ihr Herz schlug vor Aufregung plötzlich hart gegen ihre Rippen.
„Sagtest du gerade, dass dies die Kammer meiner Mutter war?“ Mary versuchte krampfhaft, ihre neu geschöpfte Hoffnung zu unterdrücken und möglichst neutral zu erscheinen.
Moira, die dachte Mary würde sich darüber freuen, plauderte munter drauflos. „Ja, dies hier war ihre Kammer und nebenan war ihre Cousine Mairi untergebracht.“
Mary zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben statt dem inneren Impuls zu folgen und jubelnd aufzuspringen. Möglichst unbeteiligt blickte sie auf die Tür, die in den benachbarten Raum führte, von dem sie nun wusste, dass er ihrer Mutter zur Freiheit verholfen hatte. Sie konnte es kaum abwarten, bis Moira endlich wieder hinausgegangen war, um zu überprüfen, ob der geheime Mechanismus nochfunktionierte. Aber vielleicht war er ja im Laufe der Jahre entdeckt und entfernt worden? Mary trank entschlossen ihren Becher Wasser aus und erhob sich.
„Danke für das Essen. Ich glaube, ich bin etwas müde und lege mich eine Weile hin.“
Ihr war es egal, ob Moira sich über den abrupten Themenwechsel wundern würde, sie sollte nur so schnell wie möglich verschwinden. Wahrscheinlich viel seltsameres Verhalten gewohnt, sammelte Moira ihr Tablett flink zusammen und verließ endlich die Kammer. Die Tür war kaum geschlossen, als Mary zur Verbindungstür stürzte und die seitliche Umgebung abtastet. Hätte sie doch Mairi genauer über den Mechanismus ausgefragt, als diese ihr davon erzählt hatte! Ungeduldig schob sie einen kleinen Wandvorhang beiseite und strich langsam über jeden Zentimeter der dahinterliegenden Wand. Sie spürte kalte raue Mauer, sonst nichts. Enttäuscht ließ sie ihre Hand sinken und zog sie zurück. Da! Etwa in Hüfthöhe machte sie plötzlich eine kleine Vertiefung im Mauerwerk aus. Sie ging in die Knie und beugte sich ganz nah zur Mauer. Fast nicht zu erkennen sah sie eine kleine Furche, die man auch für einen natürlichen Spalt halten konnte. Mit zittrigen Fingern tastete sie sich vorsichtig weiter vor und stieß auf einen kleinen Metallhebel. Sollte sie es jetzt ausprobieren? Was, wenn die offene Tür zu früh entdeckt wurde? Behutsam zog sie ihre Hand zurück und hockte sich aufgewühlt auf den kalten Boden. Nein, sie musste erst alles weitere genauer überlegen. Wenn sie nun überstürzt handelte, konnte sie alles ruinieren, und sie hatte nur diese eine Chance.
Am Abend wurde sie wieder in den großen Saal geleitet, ihr Onkel war anscheinen wieder zurück. Doch er beachtete sie so gut wir gar nicht und Mary verspürte nicht die geringste Lust auf Small Talk. Stattdessen hielt sie Augen und Ohren auf und hoffte auf irgendeinen hilfreichen Hinweis. Bis dahin leider vergebens. Die Mahlzeiten der weiteren Tage waren immer sehr ruhige, aber beklemmende Angelegenheiten, nur wenige Männer nahmen daran teil und sogar ihr Onkel ließ sich einige Male wieder nicht blicken. Auf ihre Frage wo er denn sei, bekam sie nur kurzangebunden „Geschäfte“ zur Antwort. Für Mary war es offensichtlich, dass ihr Onkel sich in ihrer Gegenwart unwohl fühlte und sie deshalb mied. Sie überlegte schon, in ihrer Kammer zu essen. Doch das würde sie der Gelegenheit berauben, ihre Beine zu vertreten und die Gänge auszukundschaften. Außerdem wollte sie es ihrem Onkel so unangenehm wie möglich machen und ihm immer wiederseinen treulosen Verrat vor Augen führen. Deshalb zwang sie sich, immer wieder mit in die Große Halle hinunter zu gehen.
Nach einer besonders frostigen Abendmahlzeit kehrte sie völlig deprimiert wieder in ihre Kammer zurück. Bisher war sie keinen Schritt weiter gekommen. Die Wachen verhinderten Ausflüge in andere Gänge als nur ihren direkten Weg zur
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