Der schottische Seelengefährte (German Edition)
Nacht.“
Da er sie bei diesen Worten nicht einmal anblickte, wandte Mary sich ohne ein Wort zur Treppe. David folgte ihr in gebührendem Abstand und schloss die Tür wieder hinter ihr zu. Emotional und körperlich völlig erschöpft ließ sie sich auf das Bett sinken und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
So ein Mist! Zu müde von der anstrengenden Reise legte sie sich angezogen aufs Bett. Ihre Gedanken kreisten um Iain, ihre vertrackte Situation und um ihre Flucht, worüber sie schließlich unruhig einschlief. Nicht ohne jedoch vorher noch den kleinen Dolch, den sie von Mairi bekommen hatte und seitdem immer um ihr Bein geschnallt trug, unter ihr Kopfkissen zu legen. Nur für alle Fälle.
Am nächsten Morgen stand sie schon fertig bereit, als David ihre Tür öffnete und die verschüchterte Magd von gestern ihr wieder das Frühstück auf einem Tablett brachte. Sie hatte in ihren Kleidern geschlafen, weil sie jederzeit bereit sein und im Notfall nicht durch überflüssiges Ankleiden Zeit verlieren wollte.
„Heute kein gemeinsames Frühstück in der Halle?“ wollte sie betont ruhig wissen.
David schaute sie ausdruckslos an und bevor er etwas sagen konnte, sprudelte es schon aus der Magd heraus. „Mylord ist heute morgen schon ganz früh fortgeritten“, was ihr einen missbilligenden Blick von David einbrachte, woraufhin sie den Kopf wie eine verschreckte Schildkröte einzog und aus der Tür huschte. David neigte kurz den Kopf und schloss die Tür. Mary brauchte nicht zu kontrollieren, ob sie verschlossen war, dessen war sie sich auch so völlig sicher.
Wieder alleine speicherte Mary die neue Information und zermarterte sich den Kopf, was hier vor sich ging. Misstrauisch beäugte sie das Essen, und beschloss, vorerst lieber nicht zu zugreifen, sie hatte auch keinen richtigen Appetit. Stattdessen nahm sie in ihrem Zimmer jeden Stein und jede Fuge genauestens unter die Lupe, konnte aber leider keine geheime Tür oder Gang entdecken. Das Fenster war auch keine Lösung, da es viel zu hoch lag und im Burginnenhof endete. Selbst wenn sie es schaffen sollte, ohne sich den Hals zu brechen, hinunterzuklettern, wäre sie immer noch innerhalb der Burgmauern und selbst von hier oben konnte sie die zahlreichen Wachen auf den Wehrgängen patrouillieren sehen. Eine Sackgasse also.
Aber Mary gab nicht auf, und versuchte so sachlich wie möglich an die Sache heranzugehen. Sie zwang ihre analytischen Fähigkeiten aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen und ihre Lage zu klären. Was nicht gerade ermutigend war! Was braucht man zuerst, um dem Feind zu entkommen? Richtig, einen Lageplan. Also los, dann mal die Gegend erkunden. Mary eilte zur Tür und hämmerte mit voller Wucht dagegen.
„Ich muss mal zum Abort“ schrie sie durch die verschlossenen Tür, sich sehr sicher, dass davor eine Wache stand und sie hörte. Wie zur Bestätigung öffnete sich umgehend die Tür und David winkte sie kommentarlos heraus.
Er führte sie kurz über den Flur und dann eine enge steinerne Wendeltreppe hinunter. Mary war sich sicher, diesen Weg gestern nicht mit der Magd hinaufgekommen zu sein und speicherte jede Wegbiegung. Sie hatte das Gefühl, weiter in die Burg hineingeführt zu werden, was weniger hilfreich für einen Fluchtplan war. Vor einer kleinen Holztür hielten sie an und David trat einen Schritt zurück.
Hoch erhobenen Hauptes ging sie an ihm vorbei und verschwand hinter der Tür. Doch kaum hatte sie die Tür geschlossen, hielt sie sich entsetzt die Hand vor Mund und Nase. Hier stank es erbärmlich! Allein beim Anblick der Örtlichkeit fühlte sie ihre Herpesbläschen sprießen. Angewidert bemühte sie sich, nirgendwo anzustoßen und erledigte ihr Geschäft in Rekordzeit. Der kalte Luftzug an ihrer blanken Kehrseite bestätigte die Vermutung, dass unter dem schmalen Auslass kein Eimer oder ähnliches stand, sondern alles direkt ins Freie geleitet wurde. Mit hochrotem Kopf stürzte sie wieder auf den Flur, rang nach Atem und schüttelte sich vor Ekel. Jetzt wusste sie ihr Refugium auf Drumrudha Castle erst richtig zu schätzen!
David betrachtete sie überrascht, doch Mary enthielt sich jeden Kommentars. Auf dem Rückweg wurde ihr klar, dass sie ihre ursprüngliche Idee, die Wachen mit häufigen Toilettengängen mürbe zu machen, auf gar keinen Fall durchziehen konnte, sie musste eine andere Möglichkeit finden.
Am frühen Nachmittag erschien wieder die Magd mit einem Essenstablett und diesmal griff Mary zu. Ihr Magen knurrte
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