Der schottische Seelengefährte (German Edition)
mit voller Wucht dagegen - sie war verschlossen! Fassungslos starrte sie auf die unbewegliche Tür. Ein weiteres Puzzlestück, das etwas ganz und gar nicht in Ordnung war, fügte sich zu den bisherigen. Verzweifelt rüttelte sie noch einmal an der Tür, doch vergeblich.
Denk nach befahl sie sich, denk nach, irgendetwas musst dir doch einfallen ! Sie setzte sich wieder aufs Bett und atmete tief durch, um ihren jagenden Puls auf Normalmaß zu bringen.
Warum? Diese entscheidende bohrende Frage kreiste ihr immer wieder durch den Kopf. Sie ging den ganzen vergangenen Tag in Gedanken noch einmal durch, jedes Wort, jede Geste in der Hoffnung, dass ihr etwas auffallen würde. Nichts. Sie brauchte einen Plan, und zwar schnell.
Über ihr Grübeln überhörte sie fast das leise Klopfen an der Tür, die kurz darauf aufschwang. Ihr Onkel Kyle stand in der Tür und sah sie wortlos an. Sie erwiderte seinen Blick ausdruckslos. Die Dumme zu spielen war nicht ihre Art und wäre auch sinnlos, dafür waren die Fakten zu offensichtlich.
„Warum war meine Tür verriegelt?“ konnte sie sich doch nicht verkneifen zu fragen.
„Nur zu Eurer Sicherheit“ wiegelte Kyle achtlos ab. „Das Abendessen ist soweit, wenn Ihr mir folgen wollt“ und deutete auf die nun offene Tür.
Obwohl sie keinen Appetit verspürte wusste sie, dass sie ihm besser folgen sollte. Deshalb stand sie langsam auf und ging wortlos an ihm vorbei und die Treppe hinunter. Die Halle war auch kleiner als auf Drumrudha Castle, doch die Wände waren mit hübschen Wandteppichen behangen. Der offene Kamin und die zahlreichen Wandfackeln spendeten ausreichend Licht und Wärme. Es waren nur wenige Männer im Raum, doch alle verstummten sofort, als sie beide eintraten. Einige erkannte Mary von ihrer Reise hierher, doch die meisten starrten sie nur wortlos an. Ihr Onkel führte sie mit fester Hand am Ellenbogen zum Haupttisch und setzte sie direkt neben sich. Sofort eilten Mägde mit beladenen Tabletts herbei und stellten alles vor ihnen ab. Kerzengerade saß Mary auf der Kante ihres Stuhls, den Kopf stolz erhoben. Langsam blickte Mary sich um, doch die Männer wichen ihren Blicken aus und beschäftigten sich mit ihrem Essen, als wäre es ein Drei-Gänge-Gourmetmenu. Schließlich wandte sie sich ihrem Onkel zu.
„Ich dachte der Sinn meiner Begleitung hierher wäre unter anderem das Kennenlernen deiner Familie. Doch sehe ich nicht deine Frau Morgana, die uns Gesellschaft leistet.“
Treffer versenkt ging es ihr durch den Kopf, als sie sah, wie sein Gesicht zu einer Maske erstarrte und die Kaumuskeln zu Arbeiten begannen, während er heftig die Zähne zusammen biss.
„Sie musste plötzlich zu einer Cousine, deren Niederkunft kurz bevorsteht. Zur Unterstützung.“
In seinen Augen erkannte sie die Lüge und fragte sich wiederholt, was hier gespielt wurde. Sie nickte nur kurz und griff nach den Speisen. Kauend blickte sie zur Seite und beobachtete, wie ihr Onkel nach dem Becher Wein griff und hastig in großen Schluckentrank. Fast blieb ihr das Brot im Hals stecken, als sie den Siegelring ihrer Mutter an seinem Finger entdeckte. Sie konnte ihn nur unverhohlen anstarren. Hatte sie sich derart in ihm getäuscht und das letzte Erinnerungsstück ihrer Mutter in einem Anflug von falscher Sentimentalität gedankenlos weggegeben? Mary musste hart schlucken und griff ohne den Blick vom Ring zu lassen ihren Becher und spülte den harten Kloß mit einem großen Schluck Wasser hinunter. Ihr Onkel schien ihren starren Blick zu spüren und verharrte in seinen Bewegungen. Mary blickte langsam von seiner Hand anklagend in seine Augen. Ein Anflug von Schuld huschte über sein Gesicht, verschwand aber genauso schnell, so dass Mary meinte, es sich vielleicht nur eingebildet zu haben. Wie konnte jemand, der sie alleine durch sein Äußeres so schmerzhaft an ihre geliebte Mutter erinnerte, sie so schändlich hintergehen? Hatte sie sich wie ein naives Kind alleine durch Äußerlichkeiten täuschen lassen, als sie automatisch auch auf den gleichen, ehrlichen Charakter geschlossen?
Ihr Appetit war völlig dahin, doch sie zwang sich, ihren rumorenden Magen zu ignorieren und ein Stück Käse zu essen. Äußerlich gelassen beendete sie ihr Mahl und stand auf, um sich zurückzuziehen. Da kaum am Tisch gesprochen worden war, wurde jede ihrer Bewegungen sofort registriert. Ihr Onkel gab einem Gefolgsmann ein Zeichen.
„David wird Euch zu Eurem Raum begleiten. Ich wünsche Euch eine erholsame
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