Der schottische Seelengefährte (German Edition)
hängenzubleiben, freuen konnte. Allmählich schien sich auch der Nebel zu lichten. Da, ganz deutlich hörte sie mehrere Stimmen, genau vor ihr! Sie meinte Kinderstimmen zu erkennen und schritt erleichtert schneller aus. Sie kam an den Rand des Waldes und vor ihr öffnete sich eine kleine, helle Lichtung, auf der tatsächlich mehrere Kinder unterschiedlichen Alters ausgelassen spielten.
Würde mich nicht wundern, wenn die Rabauken sich meine Tasche näher angeschaut haben während ich geschlafen habe, grollte Mary leicht verstimmt. Na wartet! Sie beobachtete eine Weile, wie die Kinder fröhlich und ausgelassen zusammen herumtobten. Ein paar Jungen trugen mit Holzschwertern wilde Kämpfe aus, angefeuert von einem lautstarken jüngeren Publikum. Weiter vorne spielten vier Mädchen mit einem Ball und liefen flink über das Gras. Und alle trugen anscheinend noch ihre Kostüme vom Vortag! So hatte neben den altertümlichen Kleidern nicht eines von ihnen richtige Schuhe an, sondern lief in einfachen Lederschuhen oder sogar barfuß herum. Mary ordnete ihr Kleid und machte Anstalten, den großen, kräftigen Jungen, den sie aufgrund des bewundernden Verhaltens der anderen als Kopf der Gruppe ausgemacht hatte, anzusteuern. Doch bevor sie noch einen weiteren Schritt auf sie zugehen konnte, um sie zur Rede zu stellen, verspürte sie einen Schlag am Kopf und alles wurde dunkel.
Mary nahm verschwommen wahr, wie jemanden neben ihr sanft eine Strähne ihres Haares aus der Stirn schob. Ihr Kopf fühlte sich an, als ob da drinnen ein Ping Pong Spiel ohne ihre Erlaubnis abgehalten wurde und die rechte Schläfe brannte heftig. Blinzelnd öffnete sie mühsam die Augen. Erschrocken stockte ihr der Atem.
„Mom?“ rief Mary ungläubig aus. „Aber das kann doch nicht sein!“ Hastig versuchte sie sich aufzusetzen, aber ihr dröhnender Kopf zwang sie wieder, sich hinzulegen.
„Ist schon gut, Kleines. Es ist alles in Ordnung. Bleibt liegen, Ihr habt eine ordentlich Beule am Kopf.“
Erschrocken starrte Mary die vor ihr sitzende Frau an, die ihrer Mutter unglaublich ähnlich sah. Genau die gleichen kastanienroten, lockigen Haare, die auch Marys Gesicht umrahmten, nur waren die der Frau von einzelnen grauen Strähnen durchzogen. Der gleiche helle Teint und die ovale Gesichtsform.
Die Augen sind anders, bemerkte Mary, sie waren grau und nicht braun und sie blickten sie warm und irgendwie aufgeregt an.
„Wer sind Sie?“
„Wie ich sehe, hat Euch Eure Mutter unsere Sprache beigebracht, Ihr klingt genau wie Megan.“
Ohne es sich bewusst zu sein, hatte Mary automatisch auf Gälisch geantwortet, als die Frau mit ihr gesprochen hatte.
„Ich bin Mairi, eine Cousine Eurer Mutter. Sie ist doch Megan McKinnon, nicht wahr? Ihr seht aus wie sie und tragt ihren Ring.“
Fassungslos starrt Mary erst auf ihre Hand und dann auf die ältere Frau. Es dauerte eine Weile, bis Mary ihre Stimme wiedergefunden hatte.
„Mom hat gesagt, dass Ihr die beste Freundin gewesen seid, die man sich wünschen kann und hat mich deshalb nach Euch benannt, ich heiße Mary.“
Bei diesen Worten schossen Mairi sichtlich bewegt die Augen. „Ihr müsst mir alles über Megan erzählen, wie es ihr ergangen ist. Ich habe so oft an sie denken müssen und gebetet, dass sich ihr Wunsch erfüllt hat. Ich habe sie schmerzlich vermisst, denn sie war nicht nur meine Cousine sondern auch noch meine beste Freundin.“
„Aber wo bin ich und wie bin ich hierher gekommen? Mein Kopf dröhnt als hätte ihn jemand als Punchingball verwendet!“
Mairi schaute Mary irritiert an. „Ihr befindet Euch auf Drumrudha Castle. Ich weiß nichts von einem solchen Ball, aber Ihr habt einen Lederball an den Kopf bekommen, den ein Junge beim Spielen geworfen hat. Leider hat er Euch zu spät gesehen und daher an der rechten Schläfe getroffen als Ihr aus dem Wald getreten seid. Sie haben Euch auch hergebracht. In ein paar Tagen seid Ihr wieder so gut wie neu.“
Mairi zögerte kurz. „Bitte, haltet mich nicht für unhöflich und aufdringlich, aber seid Ihr in der Lage, mir etwas von Megan zu erzählen? Ich frage mich schon seit über 20 Jahre, was aus ihr geworden ist und ob es ihr wohl gut geht.“
Mary blickte in die grauen Augen, die sie so hoffnungsvoll anschauten. Allein beim Gedanken an ihre Mutter traten ihr die Tränen in die Augen und fühlte, wie Mairi ihre Hand mit ihren rauen Händen umfasste.
„Sie ist tot“ bekam Mary nur flüsternd heraus, „sie ist zusammen mit meinem
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