Der schottische Seelengefährte (German Edition)
seines Vaters zu bekommen. Er war kämpferisch besser und hat so mehr Turniere gewonnen als Liam. Auch charakterlich waren sie sehr verschieden. Liam auf den ersten Blick freundlich und zuvorkommend, aber leider hinterhältig und nachtragend. Iain dagegen war wegen seiner fairen und gerechten Art beliebter im Clan, was die Clanmitglieder aber nicht offen zeigen durften, da sie sonst die Niedertracht von Liam zu spüren bekamen.“
Mairi seufzte bedrückt.
„Deshalb zog sich Iain immer mehr zurück. Nicht, weil er keinen Kontakt mit seine Leuten haben wollte, sondern weil er sie vor Liams Machenschaften beschützen wollte. Einige haben das aber falsch verstanden und fühlten sich von ihm im Stich gelassen. Daher war sein Antritt als Laird nach dem Tod seines Vaters und Bruders nicht ganz reibungslos. Die Zweifler hatten Bedenken, ob Iain den Clan nach außen hin standhaft verteidigen würde, wenn er schon nicht in der Lage war, einen innerfamiliären Konflikt anders als mit „Flucht“ zu lösen. Aber die meisten Leute waren sehr froh, ihn nun als Laird zu haben. Sein Bruder hatte schon im Vorfeld seinen zukünftigen Führungsstil oft drastisch durchblicken lassen, so dass alle um ein langes Leben des alten Laird gebetet haben. Denn trotz aller Beachtung und Bevorzugung war Liam eifersüchtig auf seinen kleinen Bruder. Er bemerkte, dass die Menschen Iain mochten und mit Respekt bedachten, die, wie er fand, eigentlich ihm zustand.
Iain hat oft, ohne besondere Aufforderung anderen geholfen, sobald er Bedürftigkeit oder Not sah. Es war eine Selbstverständlichkeit für ihn, für die er keinen Dank erwartete oder wollte. Leider hat er von seinem Wesenszug auf andere geschlossen und nie um etwas gebeten. Doch leider handelte sein Vater eher nach dem Motto, wer den Mund nicht aufmacht, braucht auch nichts.“
Wieder entwich ein trauriger Seufzer Mairis Lippen.
„Ich könnte noch viele Begebenheiten aufzählen, bei denen Iain alles versucht hat, den Stolz seines Vaters zu erringen. Doch nach so vielen Jahren und unendlichen Zurückweisungen und Demütigungen und schließlich der Abschiebung zu seinem Onkel entschied er, dass er es lange genug versucht hatte und ihn nicht mehr wollte. Sein Vater war von da an nicht mehr sein Vater sondern nur noch sein Clanoberhaupt, dem er Gehorsam entgegenzubringen hatte, aber keine familiären Gefühle mehr. Seid dem Tag ist er pflichtbewusst, aber verschlossen wie eine siebenfach verstärkte Ringmauer.“
Mary war empört über das ungerechte Verhalten des Vaters.
„Ich weiß nicht welche Bestrafung schlimmer ist, eine Tracht Prügel oder nicht beachtet zu werden, aber das erklärt so Einiges.“
Mary kochte innerlich und bedachte den ignoranten und herzlosen Vater gedanklich mit einigen Kraftausdrücken. Vor ihrem geistigen Auge erschien ein kleiner Iain, der sich abkämpfte und bemühte, und doch immer wieder zurückgewiesen wurde. Ihr Herz quoll über vor Mitleid mit diesem so tief verletzten Kind, und der Wunsch es zu trösten war überwältigend. Wie konnten Eltern nur so grausam zu ihrem eigenen Kind sein? Eigenes Fleisch und Blut so unterschiedlich und herzlos behandeln? Durch ihre eigenen liebevollen Kindheitserfahrungen war ihr so ein niederträchtiges Verhalten völlig unverständlich. Egal, ob diese Zeit hier härter und rauer war, und die Menschen stärker um ihr Überleben kämpfen mussten, änderte es doch nichts an der Fürsorgepflicht der Eltern, für seine Kinder nur das Beste zu wollen und jedes Kind so zu nehmen wie es war.
„Wie war eigentlich meine Mom, als sie jung war“ fragte Mary zaghaft Sie war so neugierig, alles über die Kindheit ihrer Mutter zu erfahren, dass sie für den Moment Iains Geschichte beiseite schob, denn eine bessere Gelegenheit würde sie wahrscheinlich nie wieder bekommen. Mairi hatte ihre Mutter so gut wie keine andere Person gekannt. Diese lächelte verschmitzt und machte es sich auf einem Stuhl am Feuer bequem.
„Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr endlich diese Frage stellt“ und begann, über Megan zu berichten, angefangen von der Kindheit bis zu dem Zeitpunkt, als sie verschwand. Mairi bestätigte vieles, was Mary schon aus Büchern über dieses Jahrhundert wusste und war nicht überrascht, dass der Stand der Frauen so niedrig war und, wie wir sagen würden, es eine klassische Rollenverteilung gab. Mairi war ganz klar eine Ausnahme. Durch ihr enges Verhältnis zu Iain genoss sie einen Sonderstatus, ansonsten hätte sie
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