Der schottische Verfuehrer
Verbrechen, auf das der Tod durch den Strick stand. Jedoch blieb ihr angesichts der drängenden Zeit keine Wahl.
Doch egal, was geschah: An ihrem Schicksal würde sich nichts ändern. Auch wenn ihr Vater freigesprochen wurde, besaß Frasyer noch immer Unterlagen, die den Vater ruinieren konnten und mit denen er sie weiterhin erpressen würde, damit sie seine Geliebte blieb. Die einzige Wahl, die sie hatte, war die, ob sie bei ihm in seinen Gemächern leben wollte oder, als Zeichen seiner vollständigen Kontrolle, eingesperrt im Verlies. Niemals aber würde er sie in die Freiheit entlassen.
Duncan öffnete die Tür und sah über die Schulter zu Isabel. Vom Gang fiel Licht auf sie. Sie schaute ihn aus ihren großen
Augen an, die der Kummer um den Tod ihres Bruders trübte. Für einen Moment der Schwäche war er versucht, sie zu umarmen und ihr zu versprechen, er werde sie auf ewig beschützen. Doch er widerstand dem Drang dazu.
Mit einer Handbewegung forderte er sie auf, zu ihm zu kommen. „Wir müssen los.“ Er sprach absichtlich in einem harschen Ton.
Als sie ihn weiterhin nur anblickte, verletzlich und hilflos, nahm er sie bei der Hand. Still ärgerte er sich über sich selbst: Es war nur eine einfache Berührung, aber auf ihn wirkte sie wie ein Schock. Ihm wurde heiß, ein Gefühl gegen das jede Vernunft machtlos war, ganz gleich, wie er zu ihr stand.
Er zog sie mit sich über den Gang hin zu einer dunklen Ecke neben der Treppe. Hier hatte er zuvor den Sack mit der Verkleidung versteckt und dabei eine verborgene Tür entdeckt, in der sich keinerlei Spalt zum Durchschauen befand - vermutlich weil man hinter ihr Gefangene in Dunkelhaft nahm. Gott allein wusste, welch andere Grausamkeiten sonst noch darin auf die Gefangenen warteten.
„Was machen wir hier?“, fragte Isabel irritiert.
Er holte den Beutel mit den Kleidern hinter einem Wasserfass hervor. „Zieh das hier an.“
Sie öffnete den Sack, zog den Inhalt hervor und schaute Duncan überrascht an. „Das sind die Kleider eines Knappen.“
„Du musst dich natürlich verkleiden, sonst wird man dich kaum ungehindert in der Burg herumgehen lassen.“
Er wies auf die dunkle Nische hinter der Treppe, wo er sich vor den Wächtern versteckt hatte. „Dort kannst du dich umziehen.“ Sie zögerte kurz, ehe sie in den nicht einsehbaren Winkel schlüpfte. Duncan hörte die Kleider rascheln, während sie sich in großer Eile auszog.
Ohne es zu wollen, stellte er sich vor, wie sie nackt aus der dunklen Nische in den Schein der Fackel trat. Ihre vollen Brüste wurden eingefasst vom langen bernsteinfarbenen Haar. Ihr straffer Bauch war wie eine Aufforderung, den Blick noch tiefer wandern zu lassen.
Er wusste nicht, was schlimmer war: die Gefühlsqualen, die er ihretwegen durchlitten hatte, oder das Wissen, wie groß sein Verlangen nach ihr noch immer war.
„Beeil dich!“, zischte er.
„Ich bin so weit.“ Sie kam heraus, das Knappengewand bedeckte ihren schlanken Körper, ihre Haare wurden verborgen von der Kapuze des Umhangs.
„Die Verkleidung sollte ausreichen.“ Er verfluchte sich innerlich, weil er sich noch immer vorstellte, sie würde nackt vor ihm stehen.
Unsicher fragte Isabel: „Was, wenn sie mir den Knaben nicht abnehmen?“
"Zu unserer beider Wohl solltest du beten, dass das nicht geschieht.“ Er zog sich die eigene Kapuze über. Was sollte er sonst sagen? Ohne jeden Zweifel wusste sie, in welcher Gefahr sie waren, falls man sie entdeckte. Frasyers Grausamkeit durfte ihr nur allzu bekannt sein, nachdem sie so lange in seiner Burg gelebt hatte, spätestens aber nach der Zeit im Verlies. „Hier entlang.“
Als sie oben auf dem Treppenabsatz ankamen, stellte er erleichtert fest, dass sich die Wache und die Dienstmagd, an denen er sich vorhin vorbeigeschlichen hatte, mittlerweile ganz ihrem Vergnügen hingaben.
Unbemerkt führte er Isabel an den Liebenden vorbei. Als ihr Blick auf das Treiben fiel, senkte sie schnell den Kopf, wie Duncan aufgebracht bemerkte. Sollte sie in ihrer Rolle als Geliebte nicht längst alle Unschuld verloren haben? Als sie zur Tür des großen Saals gelangten, blieb Duncan stehen. „Halt dich nahe bei mir“, befahl er ihr leise. „Und schau niemanden an, was auch immer geschieht.“
Sie betraten den Saal, wobei ihnen zwei Wachen entgegenkamen, die in Richtung des Verlieses gingen. Duncan beschleunigte seinen Schritt, da der entschlossene Ausdruck der Männer sein Unbehagen weckte.
Mit Isabel an der Seite
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