Der schottische Verfuehrer
durchquerte er so schnell wie möglich den großen Raum, in dem Diener die Tafeln abräumten. Sie schienen zu müde zu sein, um auf irgendjemanden zu achten.
Duncan führte Isabel zur Treppe im Turm. Sobald sie außer Sicht waren, blieb sie stehen. „Warum gehen wir nach oben?“ Er verzog die Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln. Ja, warum wohl? Er wollte ihr gerade erklären, auf welch widerlichem Weg sie fliehen mussten, da hörten sie unten einen Schrei. „Lady Isabel“, rief ein Mann. „Sie ist entkommen!“ „Durchsucht die Burg“, meldete sich die Stimme eines anderen Mannes. Duncan schnappte ihre Hand und lief treppauf. „Schnell!“
Doch stattdessen riss sie sich frei. „Geh du. Versuch zu entwischen, solange du noch kannst.“
Er wirbelte herum zu ihr. War sie verrückt geworden? Hatte Symon sich geirrt und sie wollte doch bei Frasyer bleiben? „Verdammt! Für solche Dummheiten haben wir jetzt wirklich keine Zeit.“
Isabel berührte die Stickerei, die in ihrer Tasche steckte. „Nein, ich bleibe!“
3. Kapitel
Duncan starrte Isabel wütend an, weil sie sich sperrte, ihm zu folgen. „Wir können jetzt nicht diskutieren.“ Er griff sie am Arm.
„Duncan ...“
Doch er ignorierte ihren Widerstand und zog sie hinter sich her. Sie mussten schnell nach oben, denn sie waren in höchster Gefahr. Da er aber nicht hörte, dass jemand die Wendeltreppe hochstieg, atmete er auf. Erst einmal waren sie sicher. Die Ritter und Bediensteten würden, angetrieben vom wilden Zorn ihres Herrn, zunächst das Erdgeschoss durchsuchen und sich von dort nach oben Vorarbeiten, ohne einen einzigen Winkel der Burg auszulassen, so lange, bis man Isabel fand.
Duncan führte sie zur Latrine, über die er ins Schloss eingedrungen war, und öffnete die Tür. Ein stinkender Luftschwall hieß ihn willkommen, umso unangenehmer, da er wusste, was auf sie wartete. Obwohl er Isabel das noch nicht verraten hatte, hielt sie sich an der Tür fest. Er zog sie am Handgelenk.
„Halt, Duncan.“
Ungeduldig drehte er sich zu ihr. „Falls du es nicht bemerkt haben solltest: Die Wachen suchen die gesamte Burg nach dir ab.“
Sie schaute ihn bedauernd an. „Ich muss noch bleiben. Du hast deine Pflicht gegenüber Symon erfüllt, jetzt geh.“ Als er antworten wollte, wiederholte sie: „Geh!“
Er presste die Zähne zusammen. Sie forderte also von ihm, sie schutzlos zurückzulassen? Gut, wenn man sie fasste und erneut ins Verlies sperrte, war es ihr Pech.
Der Turm hallte wider vom Geschrei der Wachen.
Das Blut wich aus Isabels Gesicht. „Sie werden bald hier sein. Beeil dich.“ Mit einer Drehung befreite sie ihre Hand aus sei-
nem Griff und wich in den Gang zurück. „Wenn sie mich finden, werde ich schwören, ich wäre alleine entkommen. Sie haben keine Ahnung, dass du mir geholfen hast. Geh! Noch kannst du dich in Sicherheit bringen.“
Was hatte es zu bedeuten, dass sie sich so verhielt, als läge ihr etwas an ihm? „Ich habe Symon versprochen, dich in Sicherheit zu bringen.“
„Und das hast du.“
„Ich kann mich nicht erinnern, dich um deine Meinung gefragt zu haben.“ Duncan zerrte sie in die Latrine. Sie wehrte sich mit aller Kraft, während er die Tür schloss und verriegelte. „Man wird uns fassen, wenn wir hierbleiben.“
Er schaute sie grimmig an. „Komme, was wolle, ich werde dafür sorgen, dass du sicher Moncreiffe Castle verlassen kannst. Wenn du anschließend so töricht bist, freiwillig in Frasyers rattenverseuchtes Verlies zurückzukehren, so ist das deine Entscheidung.“ Er wandte sich zu der runden steinernen Öffnung, durch die er sich zuvor in anderer Richtung gequält hatte.
Isabel stemmte sich gegen jeden Schritt, den er tat. „Wie ich dir bereits gesagt habe, kann ich nicht mit dir gehen.“
Er zerrte sie zu sich. „Was ist so verdammt wichtig, dass du hierbleiben und dein Leben aufs Spiel setzen willst?“
„Ich...“
„Wir müssen auch die oberen Bereiche durchkämmen“, rief deutlich vernehmbar ein Wächter. Aber noch schienen sie nicht heraufzukommen.
Duncan beugte sich drohend zu ihr. „Antworte mir!“
Isabel biss sich auf die Lippe, dabei schaute sie zur Tür. In der Ferne erklangen gedämpft die Rufe der Männer, die auf der Suche nach ihnen waren. In Isabels Augen flackerte Panik auf, als sie sich seinem Blick stellte.
„Die Bibel meiner Mutter.“
Was auch immer er für eine Antwort erwartet hatte, diese gewiss nicht. „Da musst du dir einen besseren Grund
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