Der schottische Verfuehrer
trauen? Er wusste es weiterhin nicht.
„Zu Frasyers Burg zurückzukehren, wäre töricht“, sagte er. „Auch wenn du unbedingt nach Moncreiffe Castle gelangen möchtest: Wenn du es jetzt versuchst, wird man dich nur gefangen nehmen.“
Sie schaute ihn trotzig an. „Ich kann nicht hierbleiben und nichts tun.“
„Nein? Und was nützt du deinem Vater, wenn Frasyer dich erneut im Verlies einsperrt?“
Sie sagte nichts, aber ihr aufgebrachter Blick sprach Bände. Nur zu gut verstand er, wie sehr sie das Gefühl erbitterte, dass ihr die Hände gebunden waren.
„Versprich mir, dich frühestens in drei Tagen auf den Weg zu machen.“
Sie sah ihn mit fest an.
Als sie nichts sagte, stellte er sich vor sie. „Gib mir dein Wort.“ Unnachgiebig schob sie das Kinn vor. „Lässt du mich sonst einsperren?“
Gereizt, weil sie ihn so herausforderte, schnappte er ihre rechte Hand und hielt sie mit festem Druck. „Ich werde alles machen, was notwendig ist, damit dir nichts geschieht. Dein Bruder hat mich auf dem Totenbett darum gebeten, und ich habe es ihm versprochen.“
Sie konnte ihre tapfere Miene nicht länger aufrechterhalten. „Verflucht seiest du, Duncan.“ Sie riss sich los und ging zum Fenster, um zum sternenübersäten Himmel hinaufzuschauen. Das Licht des Monds umgab sie mit einem silbernen Rahmen, als wäre sie eine verlassene Elfe aus einer anderen Welt. Sie sah so zerbrechlich aus, wie sie ihm in Frasyers Verlies erschienen war. Verletzlich und alleine wie eine Ausgestoßene. Hatte sie es ; nicht verdient? Doch blieb die Wut aus, die er in der Vergangenheit so oft gespürt und auch jetzt wieder erwartet hatte.
Alles, was er spürte, war Begehren.
Ihre zerbrechliche Erscheinung reizte seinen männlichen Stolz, und in ihm erwachte der Krieger, der die Geliebte beschützen will, der Mann, der seine Gefährten bis zum Letzten verteidigt. Diese von der Natur gegebenen Gefühle waren mächtiger als jene von Betrug und Untreue.
Er verzog das Gesicht, verärgert, weil er sie noch immer be gehrte, obwohl sie ihn so unendlich verletzt hatte. Langsam atmete er aus und folgte ihr zum Fenster.
„Es überrascht mich, dass Seathan und Alexander nicht sofort hier ins Zimmer gestürmt sind, als sie herausgefunden haben, dass ich ihnen nicht alles erzählt habe“, sagte sie, ohne ihn anzuschauen.
„Sie wollten es“, gab Duncan zu.
Isabel wandte sich ihm zu. Der Mond verzauberte ihr Gesicht, sodass Duncan glaubte, sie sei nie schöner gewesen. „Und was haben sie gedacht, als sie erfahren haben, wo ich untergebracht bin?“
Er zuckte mit der Schulter. „Wir hätten dir kaum dieses Zimmer gegeben.“
„Ich weiß.“
Sie fielen in ein langes Schweigen, während dem sie sich unauffällig beobachteten. Nach und nach fiel alles von Duncan ab, was ihn insgeheim quälte, bis schließlich nur noch Isabel und er übrig blieben.
Als würde ihm das Licht einen Streich spielen, schien es ihm, als ob sie von einer heller werdenden Aura umgeben würde. Ohne dass er sich dagegen wehren konnte, fasste er nach ihrem Handgelenk. Isabel rang nach Luft und sah dorthin, wo sie sich berührten.
In Duncans Arm kribbelte es warm; es war ein mächtigeres Gefühl, als eine einfache Berührung es zu verursachen vermochte. Sie verband eine Energie, die nicht zu erklären war. Benommen fuhr er zurück.
Ihre Augen weiteten sich überrascht. „Was war das?“
Er schüttelte den Kopf. Die Aura, die er zu sehen geglaubt hatte, war verschwunden. Nur der Schein des Mondes lag noch auf ihr. Und vermutlich, so überlegte er, war die Müdigkeit für das warme Kribbeln verantwortlich.
„Habe nur ich das gespürt?“, fragte sie zögerlich. Er betrachtete ihr Gesicht. Ihre Stirn hatte sich nachdenklich gekräuselt.
„Oder hast du es auch gefühlt?“, bohrte sie nach.
„Was?“
Sie schaute sich um, als würde sie nach etwas suchen. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Dieser Raum ist...“ Sie ging einen Schritt zur Seite, denn sie durften nicht so nah beieinanderstehen bleiben. Und dennoch schien die Verlockung, ihn zu berühren, noch zu wachsen. Wenn er klug wäre, dann würde er sie jetzt gehen lassen.
„Ich sollte in ein anderes Zimmer ziehen“, sagte Isabel. Doch nun musste er seine Neugierde befriedigen. „Als ich dich berührt habe, was hast du da gefühlt?“ Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, da wurde Duncan schon bewusst, dass er sie besser nicht gestellt hätte. Eine Frage von solch unheimlicher
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