Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
verdammten Zufall noch nie erlebt.«
»Wie alt war sie?«
»Sechzehn.«
»Mussten Sie es den Eltern sagen?«
»Der Mutter. Der Vater ist tot. Überdosis, vor einer Weile schon. Er war gewalttätig. Die Mutter ist Exjunkie, wenn es so was überhaupt gibt …«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine, dass so etwas wie ein Exjunkie selten vorkommt. Wenn sie wirklich Ex sind, dann sind sie normalerweise tot.«
»Ich verstehe. Nun, dann kommen wir auf Sie zurück, Frank. Bei unserem letzten Gespräch …«
»Redeten wir darüber, dass mein Vater zwei Männer getötet haben könnte, um sie von einer Zeugenaussage abzuhalten.«
»Ja. Und wie haben Sie sich gefühlt, nachdem Sie mir davon erzählt haben?«
»Einfach super. Hätte nicht besser sein können.«
»Ernsthaft.«
»Was glauben Sie denn, wie ich mich fühle?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Frank. Sie müssen es mir sagen.«
»Zum Teufel, eigentlich ist es ganz egal, wie ich mich dabei fühle. Vergangen ist vergangen. Er ist tot. Es ist sinnlos, sich daran zu klammern.«
»Ich schlage Ihnen ja auch nicht vor, sich daran zu klammern. Ich sage bloß, dass Sie es, um es wirklich loslassen zu können, erst verstehen müssen.«
»Was gibt es da zu verstehen? Er war ein Verbrecher, mindestens so schuldig wie jeder, den er verhaftet hat. Dass er es geschafft hat, sich einen so guten Ruf zu bewahren, war eine Mischung aus Raffiniertheit und der Korruptheit des Systems, dem er angehörte. Wäre das System sauber gewesen, dann hätte er solche Dinge niemals tun können.«
»Ich weiß, dass Sie glauben, dass er diese Männer tatsächlich getötet hat, Manri und McMahon, dass er tatsächlich zu einer solchen Tat in der Lage war. Was denken Sie aber, wo seine Motive lagen? Geld?«
»Ja, Geld, aber auch Selbstschutz, Schutz seiner Vorgesetzten. Er wollte sichergehen, dass er nicht in die Schusslinie geraten würde. Und die Gründe sind auch egal, er hat sie eben getötet, und da er sie getötet hat, war er ein Mörder, der straflos davongekommen ist.«
»Aber das trifft doch nicht ganz zu. Er wurde selbst ermordet.«
»Beinahe anderthalb Jahrzehnte später. Er ist lange Zeit damit durchgekommen. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand so lange gewartet hat, wenn er ihn wegen Manri und McMahon ermorden wollte. Ich bin sicher, dass es um andere Dinge ging. Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit.«
»Glauben Sie, er hat den Tod verdient?«
»Wahrscheinlich, ja.«
»Glauben Sie an die Todesstrafe?«
»Als Abschreckung? Nein. Als Strafe? Ja.«
»Also verdienen es manche Leute zu sterben.«
»Ja. Glauben Sie das nicht?«
»Hier geht es nicht um mich, Frank. Hier geht es ausschließlich um Sie.«
»Das klingt nach einer wunderbaren Basis für eine Beziehung.«
»Lenken Sie nicht vom Thema ab. Es ist mir wichtig. Ich will wissen, wer Ihrer Meinung nach den Tod verdient.«
»Nun, für den Anfang haben wir diesen Typen hier – wenn es denn ein Täter ist –, der junge Mädchen betäubt, bumst und dann erdrosselt. Das wäre schon mal ein Anfang.«
»Wenn Sie wüssten, wer er ist, würden Sie ihn dann töten?«
»Wenn ich wüsste, wer er ist, würde ich ihn verhaften, ihm seine Rechte vorlesen, ihn einsperren und ihn vom Staatsanwalt anklagen lassen.«
»Haben Sie Vertrauen in das System?«
»Manchmal.«
»Wie fühlen Sie sich, wenn Schuldige wegen Formfehlern freikommen?«
»Ich habe gelernt, gelassen damit umzugehen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ein Typ, den ich kannte, beging mehrere bewaffnete Raubüberfälle. In einem Fall tötete er eine Frau. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt und schwanger. Ein Augenzeuge sah ihn in die Bank gehen, ehe er seine Skimaske überzog. Er sah ihn mit einem abgesägten Gewehr reingehen. Von drinnen allerdings gab es nur Videobilder, auf denen er die Maske trägt. Also hing alles von der Aussage des Augenzeugen ab. Tja, der Zeuge hatte drei Wochen vor dem Prozess einen Schlaganfall, sodass der Staatsanwalt die Anklage fallen lassen musste. Der Täter kam also zum Gericht, um sich mit seinem Verteidiger und dem Richter zu besprechen, und erfuhr von der Neuigkeit. Daraufhin verlässt er das Gericht, geht drei Blocks weit und winkt sich ein Taxi heran. Als er den Bürgersteig verlässt, wird er von einem Laster erwischt. Von dem Kerl blieb nichts als Hackfleisch, über anderthalb Blocks verteilt.«
»Karma.«
»Wie immer man es nennt, er hat bekommen, was er verdiente.«
»Glauben Sie denn, dass das auch
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