Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Coroner, sobald er hier auftaucht, okay?«
»Ja, Sir.«
Hayes kam ihm aus einem Starbucks entgegen. Kein Vicodin, nur Aspirin, aber wenigstens war der Kaffee passabel. Parrish zerkaute ein paar Tabletten und spülte sie hinunter.
»Irgendwas gefunden?«, fragte Hayes.
Parrish schüttelte den Kopf. »Die übliche Scheiße. Er muss jemanden verärgert haben. Irgendjemand hat irgendwas gesagt. Wie es bei den Sizilianern heißt: Ein Wort ins richtige Ohr kann einem Mann Ansehen oder den Tod bringen.«
»Wie viele Fälle hast du?«
»Drei«, erwiderte Parrish.
»Ich hab schon fünf offene. Kannst du mir diesen abnehmen?«
Parrish zögerte.
»Wenn du ihn übernimmst, erkläre ich bei meiner nächsten Verhaftung, dass du mitgeholfen hast.«
Parrish nickte. »Einverstanden.«
»Hast du schon deinen Partner?«, fragte Hayes.
»Morgen«, erklärte Parrish. »Irgendein Neunzehnjähriger frisch von der Schulbank.«
»Ich hoffe, du kommst mit ihm klar.«
»Um mich mache ich mir keine Sorgen. Der dämliche Trottel, den sie mir zuteilen, wird die Probleme bekommen. Ich kann ihm nur wünschen, dass er in der Lage ist, um die Ecke zu schauen.«
»Also, wir sind klar? Ich haue jetzt ab und überlasse dir den Coroner.«
Hayes trat zwei Schritte zurück, drehte sich um und verschwand. Parrish hörte seinen Wagen an der Straßenecke starten und in hohem Tempo davonfahren.
Er trank den Kaffee halb aus, kippte den Rest auf die Straße, warf den Becher in einen Abfallkorb an der Ecke und ging zurück zu Danny Lange.
5
Der Deputy Coroner kam, tat seine Arbeit und fuhr wieder weg. Parrish sah zu, wie Danny abtransportiert wurde; dann ging er zu Fuß zur nächsten U-Bahn-Station.
Dannys Wohnung war ein vergammeltes Rattenloch hoch oben im achten Stock eines Sozialwohnungsblocks. Während Parrish sich dem Hauseingang näherte, erinnerte er sich an einen früheren Besuch. Vor zwei, vielleicht drei Jahren. Als er wieder gegangen war, hatte er das Bedürfnis verspürt, sich die Haare zu waschen und seine Kleidung in die Reinigung zu geben. Der Tag, an dem ein Mann seinen Verstand verlor, war traurig; noch trauriger aber war der, an dem er seinen Selbstrespekt verlor. Beides war Danny Lange schon vor langer Zeit abhandengekommen.
Der Hausflur stank nach Pisse und Erbrochenem. Auf dem Boden verstreute Spritzen knirschten unter Parrishs Schuhen, als er sich seinen Weg am Fahrstuhl vorbei zum Treppenhaus bahnte. Die Fahrstühle waren notorisch unzuverlässig und nicht gerade der Ort, an dem man eingesperrt sein wollte.
Nach zwei Etagen war er bereits außer Puste. Er war allein. Das entsprach eigentlich nicht den Vorschriften, aber heutzutage verschlissen die Partner schneller als früher – sein letzter hatte sich endgültig vom Acker gemacht. Parrish hatte seine ersten drei Jahre als Detective bei der Sitte verbracht, dann sechs Jahre bei Raub und Mord. Als daraus schließlich zwei getrennte Abteilungen gemacht worden waren, war er bei den Toten geblieben. Raub war Blödsinn. Überfälle auf Getränkeläden wegen Kleingeld; irgendein Koreaner, der wegen neunundzwanzig Dollar plus Wechselgeld ums Leben kommt; Junkies, die ihr Geld für Aufputschpillen zusammenklauen, um sich die Angstzustände vom Leib zu halten. Aber am Ende kriegt die Angst dich doch, egal, wie viele Läden du ausraubst. Das ist einfach der Lauf der Dinge.
Im vierten Stock legte Parrish eine Pause ein. Er hätte sicher eine Zigarette geraucht, wenn er nicht so außer Atem gewesen wäre. Er blieb stehen und versuchte, nicht an Caitlin zu denken, seine Tochter, doch er sah sie ständig vor sich, wie sie ihm irgendwelche Vorwürfe machte. Du musst mehr trainieren, Dad. Rauch weniger Zigaretten. Und vom Trinken will ich erst gar nicht anfangen. Er konnte nicht gegen sie gewinnen. Sie hatte ihre Ausbildung beinahe abgeschlossen, und er würde sie gern in der Nähe wissen – Brooklyn Hospital, Cumberland, von ihm aus auch Holy Family auf der Dean Street, doch Caitlin zog es nach Manhattan. St. Vincent vielleicht. Sie wollte Krankenpflegerin werden, etwas, das ihre Mutter immer unterstützt hatte. Und Caitlins Mutter war Franks Exfrau. Clare Parrish. Obwohl sie inzwischen wieder ihren Mädchennamen Baxter angenommen hatte. Scheiß drauf. Wie hatte es dermaßen schieflaufen können? Natürlich hatten sie jung geheiratet, aber es hatte gut funktioniert. Im Dezember ’85 waren sie getraut worden. Gerade mal vier Monate später war Robert zur Welt gekommen, im April
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