Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
wussten. Die Kerle beschränkten sich nicht auf Mädchen, die Kontakt mit der Jugendbehörde hatten, sondern suchten sich ihre Opfer überall. Soweit wir es bisher nachvollziehen können, bestand die Organisation schon, bevor McKee ins Spiel kam. Als er auftauchte, eröffnete sich nur ein zusätzlicher Nachschubweg für die Gruppe.«
»Und sie drehten Snuff-Filme?«
»Sie taten alles, was man sich vorstellen kann, und bedienten jeden möglichen Geschmack. Das Traurige ist, dass es sich letztlich um eine relativ kleine Gruppe handelte. Es gibt größere Organisationen, die noch brutaler und häufiger zuschlagen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele Ausreißer irgendwo in den Hollywood Hills oder in der Wüste um Vegas herum vergraben sind. Wie auch immer, wir haben sieben Männer. McKee natürlich und einen Typen, mit dem er übers Internet Kontakt hatte; dann die Leute von der Filmfirma in Los Angeles. McKee selbst hat drei Anklagen wegen vorsätzlichen Mordes zu erwarten, außerdem zahllose Anklagepunkte wegen Beihilfe zum Mord, Entführung, Vergewaltigung, Zuhälterei … das volle Programm. Sie haben ihn mit Beschuldigungen überhäuft. Weil er den ganzen Laden hat auffliegen lassen, dürfte er allerdings mehrfach lebenslänglich statt der Todesstrafe bekommen.«
»Und wie geht es Ihnen bei diesem Gedanken?«
»Ganz gut. Ich denke, er sollte möglichst viel Zeit haben, um über das nachzudenken, was er getan hat. Und ich hoffe, dass irgendein hundertsechzig Kilo schweres Gangmitglied namens Bubba im Knast Gefallen an ihm findet.«
»Und was denken Sie darüber, dass dieser Fall nur die Spitze des Eisbergs darstellt?«
Wieder schwieg Parrish mit nachdenklicher Miene. »Ich denke, das gehört zu den Dingen, mit denen wir alle schon frühzeitig umzugehen lernen. Wenn man seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit mit quälenden Gedanken über diejenigen vergeudet, die man nicht geschnappt hat, wird man irgendwann verrückt. Man konzentriert sich auf das, was man direkt vor sich hat, und zwar so gründlich wie möglich. Und man hofft, dass irgendwo anders Leute sitzen, die genauso hart arbeiten wie man selbst. Vielleicht ist das der einzige Punkt in all den Jahren, mit dem ich innerlich meinen Frieden gemacht habe.«
»Und McKees Exfrau?«
»Ihr geht’s gut, wissen Sie. Sie kann mir gar nicht oft genug sagen, wie leid es ihr tut. Sie hat mich im Krankenhaus besucht, und nach meiner Entlassung war ich mehrmals bei ihr. Sie ist eine gute Frau. Sie ist glücklich, weil das Arschloch aus ihrem Leben verbannt ist und die Kinder in Sicherheit sind.«
»Hat er denn wirklich seine eigene Tochter gefilmt?«
»Ja, er hat sie tatsächlich gefilmt.«
»Wie geht es Robert und Caitlin?«
»Robert hält mich für einen Helden, und Caitlin glaubt, ich werde mich frühzeitig ins Grab trinken.«
»Und was glauben Sie selbst?«
Parrish zuckte die Achseln und lächelte. »Ich bin vierundvierzig Jahre alt. Ich war achtzehn Jahre lang Cop. Ich kenne nichts anderes.«
»Vielleicht können Sie im privaten Bereich arbeiten? Als Ermittler?«
»Ich glaube nicht, nein. Ich gehöre zu den Leuten, die ein System und eine Struktur um sich herum brauchen, damit nicht alles zusammenbricht.«
»Na ja, für jemanden, der behauptet, ein System und eine Struktur um sich herum zu brauchen, haben Sie ziemlich viel Zeit damit verbracht, sich beidem zu widersetzen. Meinen Sie nicht, Frank?«
»Sie arbeiten nicht bei der Internen Ermittlung. Deshalb brauche ich die Frage nicht zu beantworten.«
»Nun gut. Ich hoffe, ich höre von Ihnen. Ich hoffe, Sie erzählen mir, was Sie tun und wie es Ihnen geht.«
»Sie werden mich vergessen, Marie. In vierzehn Tagen ist es Ihnen ganz egal, wo ich bin und was ich tue.«
»Oh, das glaube ich nicht, Frank Parrish. Ich denke, Sie haben sich einen Namen gemacht.«
»Na ja, Sie kennen ja den Spruch: Eine erfüllte Stunde ruhmreichen Lebens ist so viel wert wie eine namenlose Ewigkeit.«
»Es ist schön, Sie kennengelernt und mit Ihnen gesprochen zu haben.«
»Aber ich war nie richtig in Therapie, Doc, oder? Nicht wirklich.«
»Nein, Frank, Sie waren nicht in Therapie.«
»Danke für Ihre Zeit.«
»Gern geschehen.«
An der Tür hielt Frank Parrish inne. Er wandte sich um und warf Marie Griffin einen Blick zu.
»All das, worüber wir geredet haben – Sie wissen schon, mein Vater, meine Ehe, meine Kinder? Ich glaube, es hat gutgetan. Ich glaube, es hat mir geholfen.«
»Und ich glaube, ich habe
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