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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gesagt, er soll’s veröffentlichen und zur Hölle fahren. Und als ich dann an seinem idiotischen Ausdruck sah, dass er gar nicht begriffen hatte, worum es ging, hab ich ihm in die Eier getreten. Das hat er dann allerdings verstanden!«
    »Einbruch plus tätlicher Angriff? Sie sind ein Mann mit verborgenen Talenten.«
    »Nicht so gut verborgen wie Ihre, wenn ich so sagen darf«, konterte Digweed.
    Wield dachte darüber nach. »Sie dürfen«, sagte er. »Tut mir leid, wenn ich Sie falsch verstanden habe. Das Problem bei Ihnen ist, dass man bei Ihnen nie weiß, woran man ist. Also stehen wir da, wo wir vorher standen. Ich weiß, dass Sie schwul sind, Sie wissen, dass ich es bin. Ich bin immer noch ein Cop, und Sie sind immer noch ein Gauner.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Ich denke darüber nach«, sagte Wield. »Macht es Ihnen was aus, mir zu sagen, wo Sie mich geblitzt haben?«
    »Nicht ich. Rückblickend hätte ich vielleicht darauf kommen können, wieso es mir zum Beispiel unmöglich war, Sie so zu verachten, wie Sie es eindeutig verdient hatten. Nein, es war Caddy. Wundern Sie sich nicht. Sie hat den Blick eines wahren Künstlers und durchschaut fast jede Maske.«
    »Dann weiß sie es auch von Ihnen?«
    »Du liebe Zeit, jeder in Enscombe weiß es von mir«, lachte Digweed. »Und das schon lange, bevor unsere ehrenwerte Polizei vor vielen Jahren so freundlich war, mich zu outen.«
    »So freundlich, sagen Sie? Und es kommt Ihnen nicht in den Sinn, die Freundlichkeit zu erwidern?«
    »Indem ich Sie oute? Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass ich weder erpresserische noch radikale Neigungen habe.«
    »Wozu sollte ich dann wissen, dass Sie es wissen?«
    »Nur um sicher zu sein. Ich hätte auch dann versucht, Sie auf die Probe zu stellen, wenn es nicht zu dieser unerfreulichen Sache hier gekommen wäre. Also vergessen wir es einfach, ja, und tun so, als wär nichts gewesen. Und nun?«
    »Wie oft haben Sie das gemacht?«
    »Habe ich Ihnen doch gesagt, die zwei Amerikaner und Mrs. Pascoe. Sie war die letzte. Wenn nicht Cad … meine Bekannte drei Schutzumschläge gemacht und ich noch einen dritten übrig gehabt hätte, wär mir so was nie in den Sinn gekommen. Tatsächlich habe ich direkt nach unserer ersten Begegnung mit meiner Bekannten gesprochen und ihr gesagt, dass es dabei bleibt. Unbewusst muss ich wohl schon damals Ihre Tarnung durchschaut haben.«
    »Und Ihre Bekannte?«
    »Sie hatte nicht das geringste weiter reichende Interesse. Ihr ging es einzig um die Technik. Für einen Künstler gehört das Kopieren zum Lernprozess, ob es nun ein alter Meister ist oder ein altes Buch.«
    »Sie haben immer noch den Originalumschlag, nehme ich an?«
    »Ja. Aber wieso …?«
    »Ich glaube, Mrs. Pascoe hat ihn verdient. Ich glaube sogar«, fügte Wield hinzu, während er den gefälschten Umschlag abnahm und langsam in kleine Stücke zerriss, »ich glaube sogar, sie bekommt ihn auch, meinen Sie nicht?«
    »Ja, natürlich«, sagte Digweed und sah ihn mit einem Ausdruck an, in dem Staunen und Hoffnung miteinander kämpften.
    »Gut. Um ganz sicher zu gehen, würde ich über den Rest der Post, die Sachen, die Sie nicht hätten berühren dürfen, mal mit einem Staubtuch rüberwischen. Und ziehen Sie Handschuhe an, wenn Sie sie in die Stadt bringen, um sie noch mal aufzugeben.«
    Der Buchhändler machte sich willig an die Arbeit.
    Was zum Teufel treibe ich hier eigentlich?, fragte sich Wield. Ich muss verrückt sein! Doch bevor er sein Gewissen weiter erforschen konnte, hielt Digweed, der mit Feuereifer seine Fingerabdrücke von den Umschlägen wischte, inne und sagte: »Sergeant, ich habe vorher überhaupt nicht auf diese Briefe geachtet, aber wo ich jetzt genauer hinsehe … nun ja, da sind ein paar dabei, die Sie sich anschauen sollten.«
    Er reichte Wield zwei gleich aussehende braune Umschläge.
    Wield nahm sie und las die Adressen.
    »Ich glaube, wir haben ein Problem«, sagte er.

Acht
    »Wann bestätigen sich unsere Erwartungen schon einmal? Niemand empfindet oder handelt, leidet oder genießt, wie man es vermuten würde.«
    D alziels Erscheinen im Morris war wie die Heimkehr des verlorenen Sohns.
    »Thomas, lange her!«, dröhnte der Dicke.
    »Hatte früher mit Ihnen gerechnet«, tönte Wapshare und strahlte über beide Backen. »Als ich gestern hörte, dass Sie im Dorf sind, hab ich sofort ein Bier gezapft, weil ich dachte, der kommt jeden Moment zur Tür herein! Als Sie nicht kamen, dachte ich, vielleicht hat

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