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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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von einer Varieté-Nummer verdrängt wird?
    Das hübsche Gesicht im Spiegel verfinsterte sich unbarmherzig, doch als er seinem Blick begegnete, wandelte sich der empörte, missmutige Ausdruck in Schamesröte.
    Was gab ihm das Recht, sich über die Verse des alten Selwyn zu mokieren, wenn Gott, der alles weiß, zweifellos auch wusste, dass seine eigenen historischen Studien weniger von ernsthaftem Forscherdrang angespornt wurden als vielmehr von ernsthaftem Geschlechtstrieb!
    Er hatte geglaubt, das alles hinter sich gelassen zu haben, als er, nach einer ausgesprochen emotionsgeladenen Episode in seiner Zeit als Diakon, ein feierliches Keuschheitsgelübde abgelegt hatte.
    Das war natürlich ganz und gar seine Privatsache, da die anglikanische Kirche ihren Geistlichen keine solche Beschränkung auferlegt. Doch als ihm die Pfründe von Enscombe angeboten wurden, da fühlte er sich verpflichtet, den Bischof von seiner besonderen Situation in Kenntnis zu setzen, »… nur für den Fall, dass eine solche ländliche Gemeinde erwartete, dass früher oder später die Frau des Pfarrers den Mütterverein leitet, bei der Frauenakademie mit anpackt und ähnliches mehr«.
    Der Bischof, eher dem irdischen als dem transzendenten Flügel der Kirche zuzurechnen, antwortete: »Sie versuchen nicht gerade, mir klarzumachen, dass Sie schwul sind, Larry?«
    »Keinesfalls!«
    »Dann bin ich beruhigt. Nicht, dass ich irgend etwas gegen Homosexualität hätte. Einige meiner besten Freunde sind höchstwahrscheinlich schwul.«
    »Aber Sie glauben nicht, dass die Schäfchen von Enscombe für eine solch originelle Ernennung bereit wären?«, fragte Lillingstone lächelnd.
    »Ihr Vorgänger Charley Cage war die Rache des Vorgängers meines Vorgängers an den Guillemards. Irgendwann in den Dreißigern, kurz nach seiner Ernennung zum Bischof, gab er dem Druck des damaligen Squires nach, den damaligen Amtsinhaber Stanley Harding wegzukomplimentieren. Jahre später, als er seinem Amt längst gewachsen war, bedauerte er seine Schwäche. Als kurz vor seinem Ruhestand die Pfarrei erneut zu besetzen war, sah er sich nach jemandem um, dessen Anschauungen den Guillemards größtmögliche Pein bereiten würden, und verfiel auf den jungen Charley.«
    »Und welches Verbrechens hat sich Stanley Harding schuldig gemacht?«
    »Oh, soziales Engagement, christliche Nächstenliebe, nichts Besonderes. Aber zu allem Übel besaß er die Frechheit, die Tochter des Squires zu heiraten!«
    »Gütiger Himmel! Und Cage war die Rache des Bischofs am Squire.«
    »Das ist, wohlgemerkt, nicht mehr als eine persönliche Vermutung«, lachte sein Vorgesetzter. »Tatsächlich war es ein Schuss in den Ofen. Der alte Squire starb, und sein Sohn, der jetzige Squire, kam mit Charley recht gut aus. Jedenfalls haben sie sich niemals öffentlich gestritten. Doch um auf Ihr Nicht-Schwulsein zurückzukommen, bin ich erleichtert, da der alte Charley ein eingefleischter Junggeselle war und ich das Gefühl habe, dass die züchtigen Maiden von Enscombe endlich eine faire Chance verdient haben.«
    »Ich nehme mein Gelübde ernst«, sagte Lillingstone ein wenig pikiert.
    »Selbstverständlich tun Sie das, aber die stärksten Schwüre sind Stroh dem Feu’r im Blut, hm?«
    »Der heilige Augustin?«, riet Lillingstone.
    »Der heilige William, glaube ich. Nein, Sie sind der richtige Mann für Enscombe, Larry. Aber sehen Sie sich vor, Enscombe ist ein Ort, an dem einem komische Dinge passieren können.«
    »Wie zum Beispiel?«, wollte Lillingstone wissen.
    Der Bischof nippte an seinem Screwdriver und sagte: »Der alte Charley behauptete immer, dass Gott nach dem Sündenfall beschloss, einen zweiten Versuch zu starten, bei dem er aus dem ersten gelernt hätte. Diesmal schuf er einen Mann, der von sturer Gesinnung und schroffer Ausdrucksweise war und der sich die Butter nicht vom Brot nehmen ließ. Der vor allem von Frauen keine Notiz nahm. Dann sandte Gott ihn aus, um in Yorkshire fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Doch nach einiger Zeit fing er an, sich Sorgen zu machen, dass er vielleicht etwas vergessen hätte – Phantasie, Erfindungsgabe, Vorstellungskraft, oder wie immer man es nennen mochte. Also schnappte er sich davon eine Handvoll in der Absicht, sie wohldosiert über der Grafschaft auszustreuen. Doch die Masse war noch frisch und feucht, und so kam es, dass sie, statt gleichmäßig herabzurieseln, in einem einzigen Klumpen niederfiel, und an jener Stelle wurde Enscombe

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