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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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unter der Flagge von Old Hall wirtschaftete, waren nur noch drei übrig. Wie die anderen vor ihnen traten sie einer nach dem anderen zum Tisch, nannten den Namen ihres Landes, zahlten ihren Obolus, sahen zu, wie die Summe ins Kassenbuch eingetragen wurde, empfingen namentlich den förmlichen Dank und schüttelten am Ende dem Squire die Hand, eine Geste, die mehr an feudale Lehnstreue erinnerte als an moderne Geschäftsgepflogenheiten.
    George Creed kam als letzter dran.
    »Crag End«, sagte er laut und deutlich und legte seine Pacht auf den Tisch.
    Guy Guillemard nahm den Scheck und unterzog ihn einer gründlichen Prüfung, wobei er seine beleidigende Absicht dadurch unterstrich, dass er ihn gegen das Licht hielt wie eine zweifelhafte Banknote.
    Weder Creed noch der Squire zollten der Pantomime irgendwelche Beachtung, sondern sahen einander ruhig an, bis Guy endlich den Eintrag in sein Kassenbuch machte.
    »Danke, George Creed«, sagte der Squire.
    »Danke, Squire«, sagte Creed und schüttelte die dargebotene Hand.
    Creed machte einen kleinen Schritt zurück, doch der Squire ließ nicht los, sondern benutzte die Hebelwirkung des Griffs, um mit seiner Hilfe aufzustehen. Die Dorfbewohner, die wegen der aktiven Mitwirkung des Squires schon mit der Möglichkeit gerechnet hatten, dass etwas Ungewöhnliches auf sie wartete, gaben die Hoffnung auf, sich jeden Moment auf Dora Creeds Naschwerk stürzen zu können, und konzentrierten ihre Aufmerksamkeit mit einem Appetit der anderen Art auf ihren Bruder.
    »George, würden Sie wohl bitte auf diese Seite des Tischs herumkommen?«, fragte der Squire.
    Creeds Augen wanderten vom Squire zu Girlie. Dann nickte er, ging um den Tisch und stellte sich zwischen die Frau und ihren Großvater.
    »Was geht hier eigentlich ab?«, raunte währenddessen Wield Digweed zu.
    »Ich nehme an, dass der Squire endlich mitgekriegt hat, was die meisten im Dorf schon immer gewusst haben, nämlich dass George Creed sein Enkel ist.«
    »Du liebe Güte«, sagte Wield. »Rider Haggard ist nichts dagegen. Heißt das nun, dass Guy der Erbe enterbt wird?«
    Digweed schüttelte den Kopf.
    »Gott, seine Engel und jeder in Enscombe würden das ganz sicher gerne sehen, doch ich fürchte, das natürliche Rechtsempfinden hat beim englischen Landadel noch nie sonderlich gezählt. Uneheliche Kinder und Töchter kommen nur knapp vor den Pferden im Stall, wenn’s ums Erben geht. Nein, ich befürchte das Schlimmste. Der Squire sieht viel zu unglücklich aus, um etwas so Erfreuliches zu tun, wie den schrecklichen Guy zu enterben!«
    Er hatte recht. Das Gesicht des alten Mannes war zu der grimmigen Maske eines Mannes versteinert, der gerade das Schafott betritt. Seltsamerweise ließ ihn das jünger aussehen. Sein Rücken war gestrafft, sein Blick klar und seine Stimme fest, als er zu reden begann.
    »Meine Freunde, ich heiße Sie wie immer zu unserem traditionellen Abrechnungsfest willkommen. Früher war es einmal eine rein geschäftliche Angelegenheit, verbunden mit der nötigen Gastfreundschaft. Seit vielen Jahren ist das Geschäftliche vertraglich geregelt und ließe sich ebensogut bei anderen, informellen Gelegenheiten abwickeln, doch die Gastfreundschaft, die Zusammenkunft des Dorfs und der Hall, hat an Bedeutung gewonnen. Dies ist bei weitem nicht die einzige Gelegenheit, bei der wir uns begegnen und beisammen sind. Aber es ist ein guter Brauch, und ich würde es bedauern, wenn es ihn einmal nicht mehr gäbe.«
    Es ertönten mehrere »Genau!«-Rufe und vereinzelter Applaus, den er erst verklingen ließ, bevor er fortfuhr.
    »Heute allerdings habe ich eine geschäftliche Angelegenheit zu regeln, die man nur bei einem solchen Anlass regeln kann, da ich möchte, dass Sie alle, die hier zu Enscombe gehören, Zeuge sind. Ich habe erst kürzlich erfahren, was vermutlich die meisten von Ihnen schon lange wussten oder zumindest vermuteten – dass George Creed hier mein Enkel ist.«
    Er schwieg. Das Ausbleiben jeglicher Ohs und Ahs bestätigte seine Vermutung über den allgemeinen Wissensstand, und er nickte bedächtig.
    »Ich habe ihn stets als einen guten Pächter gekannt, einen erfahrenen Bauern und einen anständigen Menschen, und so habe ich keine Not mit der Entdeckung, außer der, dass mir diese Freude nicht eher vergönnt war. Dies bedeutet auch, dass ich eine zweite Enkeltochter habe, die zufällig die beste Bäckerin von ganz Yorkshire ist, also noch ein Grund zur Freude.«
    Er richtete ein äußerst

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