Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill

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Tor und brachte das Eisen so zum Klirren, dass Pascoe entsetzt zurücktaumelte, und das war auch gut so, denn ein Gebiss wie eine Kerbsäge zerriss genau dort die Luft, wo eben noch seine Finger gewesen waren.
    »Runter, Junge!«, knurrte eine harsche weibliche Stimme, und hinter der Dornenhecke kam eine Frau zum Vorschein.
    »Verdammt noch mal!«, keuchte Pascoe. »Das Monster da sollte einen Maulkorb tragen!«
    »’n Maulkorb macht sich nicht so gut zum Verscheuchen von Eindringlingen«, sagte die Frau. Sie war von undefinierbarem Alter, hatte graues Haar, eine Hakennase und unerbittliche Augen.
    »Ich hatte nicht die Absicht einzudringen«, sagte Pascoe entrüstet.
    »Aber Sie haben das Tor angegrapscht«, sagte sie. »Was wollen Sie, Mister?«
    »Ich habe lediglich das Haus bewundert.«
    »Bewundern kommt vor Begehren«, schnaubte sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich möchte wetten, dass Sie auch der Bewunderer von heute nacht waren. Machen Sie, dass Sie wegkommen, oder ich lass Fop los.«
    Fop!
Wenn er sie nicht mit der Kampfhundverordnung drankriegen konnte, dann ganz sicher mit dem Gesetz über Warenbeschreibung. Im Augenblick allerdings sah er keine andere Möglichkeit, als den geordneten Rückzug anzutreten.
    Er wollte sich gerade entfernen, als ein metallicauberginefarbenes Cabriolet von der Straße abbog und auf das Tor zufuhr. Der Fahrer erhob sich und sah ihn über die Windschutzscheibe hinweg an. Er war um die Vierzig, mit einem lebhaften, sinnlichen Gesicht unter einer Aureole aus tizianrotem Haar. Er trug eine farblich auf seinen Wagen abgestimmte Cordobalederjacke, und um den Hals hatte er einen Seidenschal geschlungen, der eben lang genug war, um ihm bei rasanter Fahrt den Elan von Isadora Duncan zu verleihen, ohne ihn demselben Schicksal auszusetzen.
    Auf den ersten Blick machte er auf Pascoe den Eindruck eines Mannes, der seine Erscheinung kalkuliert zur Geltung brachte.
    Auf den zweiten Blick war ihm, als würde er ihn von irgendwoher kennen.
    »Und was führt Sie wohl bitte zu uns?«
    Die Stimme war hell, gebildet und von jenem selbstzufriedenen Timbre eines Menschen, der weiß, dass es ihm verdammt gut geht, Mann, ein Werk der Schönheit ist ein Glück auf immer.
    »Ich bin Polizist«, sagte Pascoe, auch wenn das die Frage nicht beantwortete. »District Chief Inspector Pascoe von der Kripo Mittel-Yorkshire.«
    »Großer Gott«, sagte der Mann und sprang leichtfüßig (doch schwer auf seinen Schwung bedacht) aus dem Wagen. »Ihr Burschen nehmt die Sache aber ernst. Ich bin beeindruckt.«
    Pascoe ergriff die dargebotene Hand, ohne die Anspielung zu begreifen. Der Händedruck war fest, warm und trocken und währte nicht zu lang und nicht zu kurz.
    »Wie Ihnen sicher bekannt ist, bin ich Justin Halavant. Bayle, das Tor.«
    Old Bailey!
Der Name der Frau war so passend wie der des Hundes unpassend! Der des Mannes bestätigte Pascoes Gefühl, ihn irgendwoher zu kennen. Das war Justin Halavant, verantwortlicher Redakteur des Feuilletons der
Post
sowie häufiger Fernsehmoderator bei der
North Light Show
der BBC .
    »Lassen Sie Ihren Wagen stehen«, bot Halavant an, während die Torflügel sich automatisch öffneten. »Kommen Sie, hüpfen Sie zu mir rein.«
    Pascoe spürte Fops hungrigen Blick im Rücken und hüpfte. Halavant drückte so fest auf die Tube, dass der Wagen die Einfahrt hochschoss, und man hätte meinen können, der Mann wolle in sein Haus, ohne vorher auszusteigen.
    Glücklicherweise brachte sie ein geschickt kontrolliertes Schleudern seitlich vor der Hausfront zum Stehen. Entschlossen, dieser automobilen Inszenierung keine Beachtung zu schenken, stieg Pascoe aus und sagte: »Das ist vielleicht ein Haus! Aber nicht so ganz im Lokalstil, oder?«
    »Kaum«, sagte Halavant lächelnd. »Mein Urgroßvater hat es erbaut, zum Teil, um ein paar Nachbarn zu ärgern, zum Teil, um einen Hauch Modernität in diese hinterwäldlerische Ecke von Yorkshire zu bringen. Im Prinzip ist es ein Morris-Entwurf, wobei der Architekt, ein etwas ungezügelter Schüler von Butterfield, ein paar überschwengliche Tupfer draufgesetzt hat.«
    »Butterfield? Hat der nicht das Pfarrhaus von Hensall gebaut?«
    »Sie kennen sich mit diesen Dingen aus, wie? Kommen Sie auf eine kurze Führung rein.«
    Der Hausherr geleitete ihn durch eine Reihe Zimmer, die so von Kostbarkeiten strotzten, dass Pascoe ein Gefühl überkam, das er aus großen Museen kannte, nämlich dass sich das Ganze auf weniger als die