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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aus der Wäsche gucken, wenn wir diese Sache zu einer Suchaktion mit Hunden und Tauchern aufbauschen, und am Ende stellt sich raus, dass der junge Bendish die Frau des Pastors bumst und sich in der Sakristei um den Verstand gevögelt hat!«
    »Vielen Dank, Chef. Hast du noch einen Rat für uns?«, fragte Pascoe.
    »Komm von deinem hohen Ross runter! Hör mal, willst du noch ein bisschen Lokalkolorit? Versuch’s mal bei Thomas Wapshare im Dorfpub. Der quatscht dir die Hucke voll, wenn du ihn lässt. Der versteht sich auf ein gutes Bier, der alte Thomas, aber ich warne dich. Von seiner Blutwurst kriegst du mordsmäßige Furze.«
    Interessant, dachte Pascoe, als er das Mikrofon zurücksteckte. Dalziel war offensichtlich ein kleines bisschen besorgter, als er wahrhaben wollte.
    Wie es sich für einen guten Cop gehörte, beschloss Pascoe, den Rat seines Vorgesetzten zu beherzigen, auch wenn er dabei nicht nur uneigennützig handelte. Dass Dalziel mit den Wirtshäusern von Yorkshire bestens vertraut war, wusste jeder, und ein Bier, das der Dicke empfahl, durfte man sich nicht entgehen lassen. Aber wo war dieser Pub?
    Der Radfahrer war, während Pascoe über Funk sprach, die High Street heruntergekommen und hatte sein Rad an die Wand eines stattlichen Hauses aus Granit gelehnt, das direkt gegenüber dem Rathaus stand.
    Pascoe kurbelte das Fenster herunter und rief: »Entschuldigen Sie, Sir, können Sie mir sagen, wo ich den Pub finde?«
    Der junge Mann blickte in seine Richtung. Er hatte ein blasses, dünnes, unrasiertes Gesicht mit mehr Flaum als Stoppeln und bernsteinfarbene Augen, die befremdlich wirkten, so als dienten sie dazu, durch sie hindurchzugucken, statt mit ihnen zu sehen. Noch befremdlicher war der Umstand, dass seine Hände damit beschäftigt waren, ein Gewehr von der Querstange und einen Jutesack vom Gepäckträger zu schnallen. Aus dem Beutel tropfte etwas. Es sah aus wie Blut.
    Pascoe dachte an Dalziels Warnung, dass sie ganz schön blöd aus der Wäsche gucken könnten, falls sie für unnötigen Wirbel sorgten. Auf der anderen Seite würde er noch blöder aus der Wäsche gucken, wenn er diesen Jungen einfach laufen ließ und es sich später herausstellte, dass er Bendishs Kopf in seinem Jutesack gehabt hatte.
    Er stieg aus dem Wagen, sah nach links und nach rechts, um sicherzustellen, dass er nicht von einem vorbeirasenden Traktor oder einem durchgegangenen Bullen erfasst wurde, und als er wieder nach vorne sah, war der junge Mann verschwunden. Es war nicht zu fassen. Vielleicht war die Tarnjacke, die er trug, ein neues, weiterentwickeltes Modell! Dann sah er die roten Tröpfchen, die in einer glitzernden Spur bis zur geschlossenen Tür führten.
    Pascoe überquerte die Straße. Oberhalb der Tür befand sich eine viereckige hölzerne Platte, die er aus der Ferne für eine Art Vordach gehalten hatte. Als er näherkam, sah er, dass dies vielleicht die Erklärung war, warum der junge Mann auf seine Frage nicht reagiert hatte. Es war ein Wirtshausschild, das allerdings bis zur Unleserlichkeit verwittert war.
    Genauer gesagt, mehr als verwittert. Es sah aus, als ob es irgendwann einmal mit einer Axt attackiert und über einem Feuer geröstet worden wäre. Die ehemals vergoldeten Lettern ließen in der Schwärze ihres eigenen Verfalls noch so eben die Worte THE MORRIS MEN ’S REST über dem Blasen werfenden, abblätternden Bildnis eines wohlbeleibten, bärtigen Herrn erkennen, dessen Physiognomie über die behaarte untere Gesichtshälfte hinaus unkenntlich war und so aussah, als sei sie mit einer Donnerbüchse weggepustet worden.
    Pascoe drückte gegen die Tür. Sie schwang zurück, und er befand sich in einem dämmerigen Vorraum, von dem vier Türen abgingen. Die Blutspur führte zur zweiten von links.
    Er ging hinein und stand in einer geräumigen Bauernküche. Der junge Mann war auch diesmal verschwunden, vermutlich durch die offene Tür, die in einen Hinterhof mit angrenzendem Garten führte. Sein Jutesack lag auf einem breiten, blank gescheuerten Tisch.
    Pascoe sah seine Chance, ihn zu überprüfen, ohne sich lächerlich zu machen, und so ging er rasch hinüber, zog die Schnur auf und sah hinein.
    Ein großes, helles Augenpaar erwiderte seinen Blick.
    Und eine Stimme sagte: »Wer zum Teufel sind Sie denn?«
    Glücklicherweise kam die Stimme nicht aus dem Beutel. Unglücklicherweise kam sie von einem kräftig gebauten Mann, der im Eingang stand und ein riesiges, blutverschmiertes Messer in der rechten

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